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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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unsichtbare Wand und fiel zu Boden.
    Vera starrte sprachlos zwischen Ioannis und der Sandale am Boden hin und her.
    Bevor sie etwas sagen konnte, meinte Ioannis lapidar: „Psychokinese, auch Telekinese genannt. Die Bewegung von Gegenständen durch Geisteskraft. Eine weitere Eigenschaft, die die meisten, aber nicht alle Wissenden haben. Wie die Psychopyrokinese ist sie nur dank Bastet möglich, wir setzen einfach ihre Energien entsprechend um. Allerdings ist diese Gabe gegen die Ch’quar wahrscheinlich nutzlos. Ich habe es gestern versucht, aber sie bestehen anscheinend zum Großteil auch aus Energie und sind daher nicht greifbar. O Gerontas übrigens ist Egokinet. Eine Sonderform. Er kann seinen eigenen Körper heben und wie schwerelos halten.“
    Gestern wäre Vera über diese Auskunft noch sehr verwirrt gewesen, vorgestern hätte sie Ioannis den Vogel gezeigt oder ihn für übergeschnappt gehalten oder beides.
    Heute sagte sie nur: „Aha!“
    Der Mensch gewöhnt sich schnell an das Außer- oder Ungewöhnliche.
     
    Nach einem kleinen Mittagessen, bei dem sich Vera wieder fragte, warum hier in Griechenland alles das, was sie von „ihrem Griechen“ in Deutschland kannte, so viel einfacher und weniger überbordend war und gleichzeitig um Längen besser schmeckte, ging der Unterricht weiter.
    Als sie zu dem Haus mit der Veranda kamen, saß Ian schon in deren Schatten und nippte an einem ellinikos.
    „Bereit für die zweite Lektion?“, fragte er lächelnd.
    „Bereit“, sagte Vera bestimmt.
    „Es geht eigentlich ‚nur’ noch darum, wie du die Energien bei Bedarf anzapfst oder aufrufst.
    Der Rest läuft dann nach dem Mechanismus ab, den du schon recht gut beherrschst.“
    „Soll ich wieder auf den Platz hinaus gehen?“, fragte Vera.
    „Nein“, meinte Ian. „Lektion 2 ist eher graue Theorie. Du musst die magischen Worte lernen. Sie allein schaffen die Brücke zwischen Bastet und dir, wobei die Abbilder die Brückenpfeiler sind, um mich einmal dieser Metapher zu bedienen.
    Pass auf, ich sage sie dir vor und du wiederholst. Das machen wir so lange, bis du sie beherrschst.“
    Vera nickte.
    Sie konnte nicht ahnen, dass die nächsten zwei Stunden mehr als strapaziös werden würden, denn die magischen Worte hatten es gewaltig in sich.
    Sie verlangten eine völlig ungewohnte Sprech- und Atemtechnik und waren von Rhythmus und Sprachmelodie fremdartig wie von einem anderen Stern. Aber schließlich konnte Vera sie fehlerfrei aufsagen.
    „Und jetzt, Vera, musst du üben. Übe die Worte, übe die Mechanismen. Spiele mit der Wand, lerne sie zu beherrschen, zu formen. Tu dich mit Ioannis und anderen zusammen, um die Arbeit im Block zu lernen. Und vergiss niemals die magischen Worte. Sie müssen sich einbrennen in dir. Auch in Gefahrensituationen und Stress musst du sie parat haben. Vergiss das nicht.“
    Vera nickte.
    Ian hatte ihr erklärt, dass die Worte unübersetzbar seien.
    Uralte rituelle Phrasen und Formeln, Priestergebete, vielleicht einst von den Göttern auf die Erde gebracht, von Generation zu Generation mündlich weitergegeben und jetzt nur noch auf Phelisonissi bekannt:
     
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    Vera fiel plötzlich siedend heiß etwas ein. Sie wandte sich an Ian.
    „Was mache ich, wenn ich plötzlich angegriffen werde?“, fragte sie. „Das mit der Feuerwand ist ja gut und schön, aber zum Aufsagen der magischen Worte brauche ich Zeit, die ich dann vielleicht nicht habe. Da hilft es auch nichts, wenn ich sie mir noch so gut einpräge.“
    Ian nickte. „Gute Frage, berechtigte Frage! Sag einfach die Worte bis auf das Letzte, wenn du glaubst, dass du bald in eine Gefahrensituation kommst. Das letzte Wort hebe dir auf. Sag es, wen du die Wand dann tatsächlich brauchst. Sag dann einfach ‚Жόų’ und die Wand steht dir zur Verfügung. Das schaffst du auch in einer Extremsituation noch.“
    „Ich danke dir“, sagte sie aufrichtig, „und ich verspreche dir, dass ich dich nicht enttäuschen werde.“
    „Das weiß ich“, antwortete Ian schlicht, „weil ich es fühle!“ Mit diesen Worten ging er.
    Vera blickte ihm nach, als sich Ioannis neben sie stellte und sanft den Arm um sie legte.
    „Für heute ist Feierabend“, sagte er.

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