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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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aber es war kein Ringen um Atmen zu Beginn einer Rede, eher ein abgrundtiefer Seufzer.
    »Es ist so lange her. Damals, Anfang der Neunziger war das. Die Rubins haben den Hof übernommen. Der Alte war wohl mal landwirtschaftlicher Produktionshelfer und dachte, an ihm wäre ein Bauer verloren gegangen. Sie dachte gar nichts. Das war eine Frau, die nicht viel im Kopf hatte. Zum Kinderkriegen hat’s gereicht, mehr aber auch nicht. Den Hof haben sie in kür zester Zeit heruntergewirtschaftet. Erst ging’s den Schwei nen an den Kragen, dann den Schafen, zuletzt den Kühen. Die Äcker haben sie weggegeben, irgendwann war nichts mehr da. Und trotzdem haben sie sich über Wasser gehalten. Die Kinder liefen rum wie Lumpensammler, der Alte soff, die Mutter auch, aber sie blieben. Irgendwann ging es los mit dem Getuschel. Es waren öfter Autos mit Nummernschildern aus Jüterbog und Baruth da. Und dann hieß es, dass man den einen oder anderen aus Wendisch Bruch morgens vom Hof hat schleichen sehen, mit offenem Hosenstall. Irgendwann war es der Huren-Hof. Es hieß, jeder könnte, der wollte. Und viele haben gewollt.«
    »Wer?«
    »Werfen Sie doch mal einen Blick auf Ihre schlaue Liste. Dann haben Sie sie. Alle. Gisela natürlich nicht. Die hat ihren Mann wirklich geliebt und ihm alles verziehen, deshalb ist sie ja auch weg mit ihm.«
    »Deshalb ist sie wahrscheinlich tot.«
    Walburga schlug die Hände vors Gesicht. »Das ist nicht wahr!«
    »Und die anderen auch. Der Aussiedlerhof war ein Bordell?«
    »Nein.«
    »Warum wurde er dann Huren-Hof genannt?«
    Sie wischte sich mit dem Oberarm über die Augen. Die Geste erinnerte Gehring an seine Mutter, wenn sie Zwiebeln schnitt, das Messer noch in der Hand. Walburgas Gesicht war schweißüberströmt, er hörte ihren lauten, schnaufenden Atem, rasselnd und nass wie eine Dampflok. Gehring befürchtete, dass sie dieser Befragung vielleicht nicht gewachsen sein könnte. Doch bis ein Arzt hier war und Walburga im nächsten Vernehmungszimmer, konnte dieser Moment schon wieder vorüber sein. Sie redete über ein gut gehütetes Geheimnis, das dieses Dorf letztendlich in den Ruin getrieben hatte. Er spürte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie auch das andere, das letzte preisgab, was man hier über so lange Zeit verheimlicht hatte.
    »Brauchen Sie ein Glas Wasser?«
    »Nein, es geht schon. Danke. Wir haben ihn Huren-Hof genannt, weil alle hin sind. Der Alte hat seine Frau verliehen an jeden, der es wollte. Für ein paar Flaschen Schnaps musste sie die Beine breitmachen, und das halbe Dorf ist über sie drübergerutscht.«
    Er wartete, aber Walburga sagte nichts mehr.
    »Das war alles?« Er hatte erwartet, dass von blutjungen Mädchen die Rede war, von Zuhältern und illegalen Drogen. Aber eine einzige Frau?
    »Dann war es also kein Bordell, sondern … Moment. Eine Frau für alle?«
    Walburga zuckte mit den Achseln und wich seinem Blick aus.
    »War Ihr Mann auch einer der Kunden?«
    »Er hat nicht mit mir darüber geredet, wenn Sie das meinen. Aber ich glaube, ja. Wenn einer damit anfängt, machen irgendwann alle mit. Es war wie eine ansteckende Krankheit.«
    »Wie lange ging das so?«
    »Zwei, drei Jahre. Dann ist sie gestorben, ganz plötzlich. Vom Heuboden gefallen, unglücklich gestürzt und verblutet.«
    Gehring notierte sich diesen Umstand in seinem Gedächtnis. Noch ein Todesfall, dessen Umstände geklärt werden mussten.
    »Und dann haben die Frauen beschlossen, Rache zu nehmen. An ihren Männern, die sie so gedemütigt haben. Merkwürdiger Zeitpunkt.«
    Sie stieß pfeifend die Luft aus. Es war heiß in dem Schuppen, noch heißer als im Garten.
    »Der Bäcker war der Erste.« Er sah auf die Liste. Eigentlich müsste er sie mittlerweile auswendig gelernt haben. »Dann der Fleischer. Und all die anderen, die verschwanden und die keiner als vermisst gemeldet hat. Wie Ihr Erich, Frau Wahl. Haben Sie ihn mit dieser Axt erschlagen? Wo haben Sie ihn vergraben?«
    Sie sank in sich zusammen.
    »Hat Ihr Sohn Ihnen dabei geholfen?«
    »Marten hat nichts damit zu tun.«
    »Er hat diesen Wagen versteckt, um eine Straftat zu vertuschen!«
    »Wir waren es nicht!«
    Unwillig stand Gehring auf. Er schlug die Wagentür lauter zu, als es nötig gewesen wäre.
    »Ich werde Sie jetzt mit auf die nächste Wache nehmen, und dann werden Sie das, was Sie mir eben gesagt haben, zu Protokoll geben. Machen Sie sich darauf gefasst, dass wir nicht nur Ihren Sohn, sondern auch Ihren Mann finden

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