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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Sanela vermutete sie im Wassergraben bei den Eisbären oder irgendwo im Elefantengehege. Wenn es einen zweiten Mann oder eine zweite Frau gab, dann hatte er/sie die Nacht mit Rubin in diesem Haus verbracht.
    Sie ging zurück ins Wohnzimmer und untersuchte die Couch. Fuhr in die Ritzen der Polster, schob sie zur Seite, sah unter ihnen nach, hob die Kissen, fand nichts. Dasselbe Procedere mit den Sesseln erbrachte das gleiche Ergebnis. Mit einem leisen Fluch warf sie das letzte Kissen zurück auf seinen Platz. Es musste eine Spur geben. Zwei Menschen töteten. Sie saßen nach vollbrachter Tat zusammen. Sie blieben wach. Rubin ging vielleicht zurück ins Bett, der andere blieb hier, im Wohnzimmer. Um vier Uhr fünfzehn klingelte Rubins Wecker – falls sie überhaupt geschlafen hatte. Sie standen auf, einer hielt die Pekaris in Schach, der andere sammelte die Reste ein. Kippten alles in die Tonne. Vergaßen Hand und Kopf, fanden beides vielleicht nicht, oder die Schweine ließen sie nicht heran. Verloren etwas auf dem Weg, wussten, dass einer nochmal zurückmusste. Warteten. War es so? War das die Wahrheit? Oder hatte sie sich nur in etwas verrannt? Es war ihnen um die Tat gegangen. Ein eingespieltes Team offenbar, denn so mordete man nicht spontan. Hinterher musste die Leiche verschwinden. Sie sollte nicht entdeckt werden. Hatten sie das früher schon einmal getan? Gab es ähnlich rätselhafte ungelöste Fälle, in denen Menschen sich in Luft aufgelöst hatten? Oder in denen sie Opfer eines grausamen Rituals, nahezu einer Schlachtung geworden waren? Taten im Affekt beging man mit den Waffen, die einem gerade in die Hände fielen. Nicht mit Medikamenten, Schubkarren und Clownskostümen. Sanela schob die Hände in die Hosentaschen und drehte sich langsam in dem Raum um die eigene Achse. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie Zuschauerin eines Theaterstücks war, das nach mehreren Aufführungen abgesetzt und dann urplötzlich doch noch einmal auf den Spielplan gehievt worden war. Aber Charlie spielte nicht die Haupt rolle. Die hatte jemand anderes übernommen. Jemand, der Regisseur und Darsteller in einer Person gewesen war.
    Sanela ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Steinalte Wurst, ein Stück Butter, zwei Becher Joghurt und ein muffiger Geruch, der aus der Milchtüte kommen musste. Sie schlug die Tür zu und sah die Kaffeemaschine. Auf dem Glasboden der Kanne hatte sich schwarzes Surrogat abgesetzt. Der Filter war halb voll, der Inhalt knochentrocken. Die glatte Oberfläche des Kaffeemehls und die braunen Ränder an der Filtertüte verrieten ihr, dass diese Kanne die letzte gewesen war, die Rubin in ihrem Haus getrunken hatte. Sie nahm die Kanne und roch nachdenklich an dem eingetrockneten Rest.
    Ihr Handy klingelte. Auf dem Display erschien die Dienststellenvorwahl.
    »Ja?«
    »Wo zum Teufel sind Sie?«
    Gehring hatte einen Ton am Leib, den er sich dringend abgewöhnen musste.
    »Zuhause im Bett«, antwortete sie. »Mir war nicht gut heute Morgen. Hab ein bisschen gefeiert.«
    »Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich nach reiflicher Überlegung eine Kollegin mit den Kindern sprechen lasse. Rein informell, damit wir uns richtig verstehen. In diesem Zusammenhang wäre es wichtig, wenn Sie Kollegin Schwab vorher briefen könnten.«
    Die Schwab. Großartig. Die Schwab in einer Ermittlung einzusetzen war das Gleiche, wie Gänseblümchen mit dem Mähdrescher zu pflücken.
    »Was soll ich ihr denn sagen?« Vorsichtig schob sie die Kanne zurück unter den Filter. Gehring stöhnte ungeduldig.
    »Zum Beispiel, mit welchen Kindern Sie gesprochen haben und was diese Befragung erbracht hat.«
    »Es war keine Befragung. Es war Erste Hilfe. Die Kleinen standen unter Schock. Jemand musste sich um sie kümmern, bis die Eltern eintrafen.«
    »Und das waren ausgerechnet Sie?«
    »Ich bin immer an dem Platz, an den der Herr mich stellt.«
    Sie öffnete einen der Hängeschränke über der Spüle. Reis, Mehl, Zucker, Tee, Nudeln. Sie hörte, wie Gehring wieder stöhnte.
    »Wann sind Sie wieder im Dienst?«
    »Morgen. Die Kinder hießen Dilshad und Luise. Die Erzieherin der Kita-Gruppe hat den ersten Notruf abgesetzt.«
    »Okay. Ich werde das so weiterleiten.«
    »Sie haben den zweiten Clown gesehen. Er hat Luise einen Luftballon geschenkt.«
    »Einen Luftballon«, wiederholte Gehring in einem Tonfall, als ob er alles genau notieren würde. »Sonst noch was?«
    Sanela öffnete die Tür zu dem Schrank unter der Spüle. Der

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