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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Morgen.«
    Das Baby fing an zu meckern. Der Vater versuchte, es durch federnde Bewegungen zu beruhigen, was nicht so ganz klappte. Cara drückte seine Hand.
    »Okay. Du sollst wissen, dass wir, Charlie und ich, uns wirklich lieben.«
    »Obwohl ihr euch die letzten Jahre nicht gesehen habt?«
    »Sie lebt ihr Leben, ich meins.«
    Das Baby fing an zu schreien. Cara sah sich unwillig um, aber sie war die Einzige, die die Unmutsäußerungen des Kindes als Zumutung empfand. Die Musik und der Geräuschpegel vieler sich angeregt unterhaltender Menschen waren zu laut.
    »Aber ihr wohnt nur gut hundert Kilometer auseinander. Wieso habt ihr euch aus den Augen verloren?«
    »Das passiert, Jeremy, das passiert.« Der Druck ihrer Hand wurde stärker, je lauter das Kind schrie. »Wann hast du denn deine Mutter zum letzten Mal gesehen?«
    »Weihnachten.«
    »War das Pflicht oder dein Wunsch?«
    »Ersteres, wenn ich ehrlich sein soll.«
    »Siehst du? Charlie und ich …«
    Sie brach ab und sah nervös zu dem Vater, der inmitten der Leute seinen Sprössling abschnallte und dabei um ein Haar das Essen eines Vierertisches abgeräumt hätte. Die Leute lachten und halfen ihm, das mittlerweile brüllende Kind an die Mutter weiterzureichen, die sich diesen Abend wohl auch anders vorgestellt hatte.
    Die beiden Espressi wurden vor ihnen abgeworfen. Der Inhalt war halb verschüttet. Cara ließ seine Hand los und griff nach dem Zuckerstreuer.
    »Was wollte ich sagen? Ach so. Charlie und ich haben es nicht so mit Familie.«
    Sie rührte ihren Kaffee um, ihre Bewegungen waren hektisch geworden, sodass sie beinahe die Tasse umgerissen und den Rest auch noch verschüttet hätte.
    Die Mutter nahm ihr Baby auf den Arm und wollte es trösten, doch es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Das Kind schrie sich in Rage. Cara versteifte sich. Sie führte die Tasse mit einer gezierten Bewegung zum Mund und wollte trinken, als das Kind sich mit einem wütenden Aufschrei und unter Aufbietung all seiner Kräfte aus dem Arm der Mutter winden wollte. Cara knallte die Tasse auf den Tisch.
    »Hören Sie auf!«, schrie sie die verdutzte Mutter an. »Bringen Sie Ihr Kind weg!«
    Alle Köpfe drehten sich zu ihnen um. Die Gespräche in ihrer Umgebung erstarben schlagartig. Das Kind erreichte in seiner Rage nun eine Tonlage, die wirklich jedes Trommelfell im Umkreis von hundert Metern erreichte.
    Cara sprang auf und hielt sich die Ohren zu. »Es ist unerträglich! Schaffen Sie dieses Gör weg! Hören Sie nicht, oder sind Sie schon taub?«
    Erste, böse Kommentare wurden laut. Sie richteten sich nicht gegen die Mutter, sondern, wie in diesem Viertel zu erwarten, gegen Cara. Jeremy überschlug in Windeseile die zweite Rechnung und warf einen Zwanzig-Euro-Schein auf den Tisch.
    »Gehen Sie doch selbst!«, keifte die Mutter zurück und drückte den hochroten, hysterisch schreienden Säugling an die Brust, der sich einfach nicht beruhigen ließ. »Wegen Leuten wie Ihnen traut man sich ja nicht mehr zu stillen!«
    »Es soll aufhören! Aufhören!«, schrie Cara.
    Jeremy sprang auf und packte sie am Arm. Begleitet von wüsten Verwünschungen keilten sie sich durch die engen Tischreihen hinaus auf den Bürgersteig. Als er sich umsah, ob sie auch nichts vergessen hatten, saß die Frau bereits auf Caras Stuhl und hatte sich das T-Shirt hochgehoben. In einer Gier, wie sie nur Kleinkindern zu eigen ist, suchte der Schreihals die dunkelbraune, riesige Brustwarze und dockte an.
    Stille.
    Cara ließ die Hände sinken. Sie hatte Tränen in den Augen. Jeremy zog sie davon, bis sie zwei Nebenstraßen weiter an seinem Wagen ankamen. Erst als sie sich am Dach festhielt und keine Anstalten machte einzusteigen, merkte er, dass sie zitterte.
    »He.« Er trat zu ihr und wollte sie, rein freundschaftlich, in den Arm nehmen. Aber sie stieß ihn weg.
    »Lass mich.«
    »Hast du immer solche Ausraster bei Babygeschrei?«
    Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und nickte. »Deshalb habe ich auch immer Ohrstöpsel dabei. In der Bahn ist es besonders schlimm. Und im Flugzeug, wenn sie Probleme mit den Ohren haben. Aber beim Essengehen stören die Dinger.«
    Sie drehte sich mit einem zaghaften Lächeln um. Sie zitterte immer noch.
    »Ich kann es einfach nicht ertragen. Manche Leute bekommen Zustände, wenn Kreide auf einer Tafel quietscht. So ist das bei mir, wenn Babys schreien. Ich reagiere allergisch.«
    Jeremy wusste nicht, wie er auf dieses merkwürdige Bekenntnis reagieren sollte. An

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