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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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hatten.
    Sie schwiegen und betrachteten das lebhafte Treiben in der Simon-Dach-Straße. Das belebte Szeneviertel in Friedrichshain war Jeremy nicht so abgedroschen vorgekommen wie der Kurfürstendamm oder die Schönhauser Allee. Auf den Bürgersteigen vor den Cafés und Restaurants war inzwischen kein Platz mehr zu bekommen. Menschenmengen schoben sich vorüber, darunter trotz der späten Stunde bestimmt mehr Kinderwagen als in Prenzlauer Berg.
    »Ich bin froh, dass du mit Professor Brock redest«, erwähnte Jeremy so beiläufig wie möglich, während er das Wechselgeld verstaute und ein großzügiges Trinkgeld auf dem Tisch liegen ließ.
    »Hatten wir nicht gesagt, Charlie ist kein Thema?«
    Er lächelte. »Keine Sorge. Ich wollte nur sagen, dass wir dir sehr dankbar sind.«
    »Hm. Dankbarkeit ist nicht gerade das, was ich von dir erwarte.«
    »So?«, hakte er nach. Er spürte, wie die Lust am Spiel mit dem Feuer in ihm erwachte. »Was denn dann?«
    Sie nestelte unschuldig am oberen, geschlossenen Knopf ihrer Bluse herum, und sie machte das auf eine Art, die einem genauen Beobachter verraten hätte, was ihr gerade durch den Kopf ging. Jeremy hielt sich sogar für einen sehr genauen Beobachter.
    »Vielleicht noch ein Drink in einer Bar, wenn ich schon mal in der großen Stadt bin?«
    »Es ist schon spät.«
    Mieze hatte den Termin auf acht Uhr dreißig gelegt. Jeremy wollte dem Professor keinen noch so geringen Grund zur Kritik geben.
    »Du bist über achtzehn. Ich übrigens auch.« Sie wollte sich erheben, aber Jeremy hielt sie zurück.
    »Cara, wir hatten eine Abmachung.«
    »Kein Wort über Charlie. Ich weiß.«
    »Es geht nicht. Nicht jetzt.«
    »Was?« Sie sah ihn verwundert an. »Hast du Angst, ich schleppe dich ab?«
    »Ja.«
    Seine Ehrlichkeit entwaffnete sie. Sie ließ sich zurück in den Stuhl sinken, und ein Pärchen, das bereits voller Hoffnung auf ihren Tisch zugesteuert war, wechselte enttäuscht den Kurs. Der Mann trug einen schlafenden Säugling auf dem Rücken.
    »Ich wusste es. Es ist kein gutes Zeichen, wenn ich vorher Hunger habe. Bekomme ich wenigstens noch ein Dessert?«
    Mit einem Lächeln reichte Jeremy ihr die Karte. Unter anderen Umständen hätte er nichts, aber auch gar nichts gegen eine Fortsetzung ihrer ersten Begegnung gehabt. Hätte sie, wenn er ehrlich war, sogar herbeigesehnt. Allerdings – an ihren Abschieden musste sie noch arbeiten. Ihm klangen immer noch die hässlichen Worte im Ohr, die sie ihm in Wörlitz gesagt hatte. Natürlich aus Selbstschutz, das war ihm klar. Dennoch sagte die Art, wie Menschen auf Enttäuschung oder Stress reagierten, viel über sie aus. Cara benahm sich wie ein verwöhntes Einzelkind. Dabei war sie bis zum Hals im Dreck auf einem Bauernhof und in einer familiären Umgebung groß geworden, die wenig Platz für Individualität gelassen haben dürfte.
    Sie senkte die Karte ein wenig und tat so, als ob sie ihn verstohlen ansehen würde.
    »Kakerlake oder Colibakterium?«
    »Als Nachtisch?«, fragte er verblüfft.
    Sie klappte die Karte zu und legte sie auf den Tisch.
    »Als Nachtisch nehme ich warmen Schokoladenkuchen mit Vanilleeis. Ich wollte nur wissen, was dir durch den Kopf ging, als du mich so seltsam angesehen hast.«
    »Nichts«, log er. »Das heißt, ich denke schon an morgen und wie Brock vorgehen wird. Tut mir leid. Der Fall beschäftigt mich mehr, als er sollte.«
    »Hast du eigentlich Geschwister?«
    »Nein. Allerdings ist die Freundin meines Vaters in meinem Alter. So wie sie mich nervt, könnte sie durchaus als eine Art Schwester durchgehen.«
    Ein gestresster Kellner, der in seinem zweiten Leben wohl Student war und langsam den Überblick verlor, kämpfte sich gerade zu ihnen durch. Cara bestellte ihr Dessert, und Jeremy orderte noch zwei Espressi dazu. Die Häuser schienen die Hitze des Tages zu speichern und nun wie gewaltige Kachelöfen in die Straßenschluchten abzugeben.
    Das Paar suchte immer noch einen Platz, der Säugling erwachte.
    »Mit welchen Fragen muss ich denn morgen rechnen?«
    »Ich vermute, dass es Professor Brock vor allem um eure Kindheit in diesem Dorf geht. Charlotte Rubin hat nicht viel darüber erzählt.«
    »Ich weiß nicht, ob ich da weiterhelfen kann. Als sie ausgezogen ist, war ich elf. Ich habe kaum Erinnerungen an die Zeit davor. Viel Dreck, viel Regen. Mir war oft kalt. Es wurde schlecht geheizt im Winter.«
    Jeremy legte seine Hand auf ihre und freute sich, dass Cara sie nicht wegzog.
    »Nicht jetzt.

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