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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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und ballte die Fäuste. »Ich meine, ich bin mir nicht sicher, wen von Ihnen ich zuerst schlagen soll.«
    Der Anzug trat einen Schritt zurück, die Uniform einen halben.
    Ellie stellte sich schnell dazwischen.
    »Um Himmels willen«, sagte sie aggressiv. »Unsere Tochter ist da drin …«
    Ihre Aggressivität ließ nach, verschwand. Sie holte tief Luft und versuchte es erneut.
    »Unsere Tochter ist … Rosie ist …«
    Zu ihrer Überraschung mußte sie feststellen, daß es selbst für sie keine Worte mehr gab. Und keinen Raum außer dem kleinen Krankenzimmer, das das kostbare Leben ihrer Tochter beherbergte. Und vor allem gab es keine Zeit mehr.
    Sie saß in einem Wartezimmer und starrte auf ein Poster, das die Vorzüge des Patientenvertrages verkündete. Peter war auch da, aber nach ein paar fruchtlosen Unterhaltungsversuchen gaben sie sich keine Mühe mehr zu reden. Warum reden, wenn alle Worte gesagt waren? Die Purlingstones waren nicht da. Vielleicht saßen sie in einem anderem Raum. Vielleicht brachten sie eine auf wundersame Weise genesene Zandra nach Hause. Wie auch immer, es war ihr egal. Ihr Schmerz, ihre Freude bedeuteten ihr nichts. Nicht jetzt. Nicht in dieser hilflosen, hoffnungslosen, endlosen Gegenwart.
    Etwas geschah. Ein Geräusch. Peters Handy. Sollte die Zeit etwa wieder beginnen?
    Er hob es ans Ohr. Formte etwas mit den Lippen. Dii. Ell. Dalziel. Der dicke Andy. Sie erinnerte sich an ihn wie in einem Traum. Überfüttert, alt, belanglos. Peter redete mit ihr. »Alles in Ordnung?« Sie nickte. Warum nicht? Er sagte: »Ich geh nach draußen.«
    Im Korridor hob Pascoe das Handy wieder ans Ohr, was eine überflüssige Geste war, da Dalziel ihn in voller Lautstärke anbrüllte: »Hallo! HALLO ! Sind Sie da? Dieses nutzlose Scheißding …«
    »Ja, ich bin da«, sagte Peter.
    »Ach ja? Wo ist da? In irgendeiner verdammten Kohlengrube?«
    »Im Zentralklinikum«, antwortete Pascoe. »Rosie ist hier. Sie sagen, daß sie vielleicht Meningitis hat.«
    Es herrschte Stille, dann erklang ein gewaltiges Krachen, als schlage eine Faust auf etwas Hartes, und Dalziels Stimme erklärte finster: »Das werd ich nicht zulassen!«
    An wen oder was er seine Äußerung richtete, war unklar. Es folgte noch einmal Stille, diesmal aber kürzer, dann sprach er wieder mit seiner alltäglichen sachlichen Stimme.
    »Pete, sie wird wieder okay. Ist ’n kleines zähes Luder, wie ihre Mam. Sie wird’s schaffen, keine Sorge.«
    Es war vollkommen unlogisch, aber irgendwie tröstete ihn diese direkte Beteuerung ohne tonloses Mitleid und Detailfragen mehr als jede Versicherung eines qualifizierten Arztes.
    Er sagte: »Danke. Sie ist … bewußtlos.«
    Er merkte, daß er das Wort »Koma« nicht aussprechen konnte.
    »Das ist das beste«, entgegnete Dalziel voll ehrlicher Überzeugung. »Eine Auszeit, um wieder zu Kräften zu kommen. Pete, hören Sie, wenn ich was tun kann, irgendwas …«
    Auch dies war kein konventionelles Hilfsangebot. Pascoe hatte den Eindruck, wenn er andeutete, das Krankenhaus tue nicht genug, daß der Direktor sich in einem Verhörzimmer wiederfände und ein Angebot bekäme, das er nicht ausschlagen könnte.
    »Das ist nett von Ihnen«, sagte er. »Gab es einen bestimmten Grund, warum Sie angerufen haben, Sir?«
    »Nein, nix. Na ja, genau gesagt, haben wir einen Verdächtigen. Ich bin grad auf dem Weg nach Danby. Wahrscheinlich wird’s aber nix. Hören Sie, Pete, vergessen Sie den Fall … tja, das brauch ich Ihnen wohl nicht mehr zu sagen. Aber … haben Sie irgendwas rausgefunden, das ich wissen sollte und das mir kein anderer sagen kann?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete Pascoe. »Nobby Clark kann Ihnen alles über … oh, warten Sie, ich habe für morgen früh neun Uhr ein Treffen mit Jeannie Plowright im Sozialamt ausgemacht. Es geht um Mrs. Lightfoot, die Großmutter. Da gibt’s ein paar Aussagen, daß Benny gesehen wurde, Clark kann Sie darüber informieren, und ich dachte, die alte Dame ist der einzige Mensch, mit dem er vielleicht Kontakt aufnehmen könnte, wenn sie noch lebt, was ich bezweifle, und wenn er da ist, was ich aber noch mehr bezweifle. Ist wahrscheinlich das beste, es abzusagen, wenn Sie einen besseren Strohhalm haben.«
    »Nein, wir belassen es dabei, bis wir mehr wissen. Pete, ich melde mich wieder. Denken Sie dran: wenn ich was tun kann … Und liebe Grüße an Ellie. Sagen Sie ihr …«
    Und Dalziel, mit seinem Füllhorn voll Worten, schien ausnahmsweise einmal

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