Das Dorf in der Marsch
zog eine Augenbraue in die Höhe.
»So? Mit wem denn?«
»Das würden wir gern von Ihnen hören, um es mit unserer Liste abzugleichen.«
Der Mann füllte noch einmal Cognac nach und stierte in das Glas, das in seiner Handfläche lag.
»Nicht jeder versteht die Zeichen der Zeit. Dörfliche Gemeinschaften wie Everschopkoog haben keine Zukunft. Nicht umsonst überlegt man in Kiel, den Anachronismus dieser Minigemeinden zu beseitigen. Warum sollen die Dörfer Eiderstedts nicht zu einer Gemeinde fusionieren?«
»Everschopkoog und Tönning als Vororte von St. Peter-Ording?«, fragte Christoph spitz.
»Sie denken engstirnig, haben keine Visionen.« Von Dirschau sah in sein Glas.
»Und Sie verstehen nicht, was den Menschen Heimat bedeutet«, rief GroÃe Jäger dazwischen.
»Jedenfalls nicht das, was sich ein beschränkter Geist wie Witte darunter vorstellt. Das ist Kleinstaaterei. Sie können sich den globalen Herausforderungen nicht stellen, wenn Ihr Denken nur wenige Hektar umfasst und an der engen Gemeindegrenze endet.«
»Und deshalb musste Witte weg?«, fragte Christoph.
»Solche Geister blockieren den Fortschritt.«
»Der darin besteht, dass man aus wirtschaftlichen Interessen ohne Rücksicht auf die Menschen oder die Natur das Land ausbeutet und planlos Windenergieanlagen hinpflanzt?«
Von Dirschau nippte schlürfend an seinem Cognac.
»Es geht um das groÃe Ganze.«
»Und deshalb stören Leute wie Witte, Reimers oder Michelsen?«
»Sie haben noch welche vergessen. Zum Beispiel Wychzek. Der kratzt seine paar Euro zusammen, kommt hierher und glaubt, er sei der König. Witte â der verstand nicht, wohin die Reise geht. Reimers â hat der Sie vor seinen Karren gespannt, weil ich ihm Pachtland abgejagt habe? Der GroÃe frisst den Kleinen. Das ist Naturgesetz. Und Michelsen, der Ãkospinner. Ãber den etwas zu sagen, dafür ist mir meine Zeit zu schade.«
»Sie haben also einen Krieg mit den Everschopkögern vom Zaun gebrochen?«, fragte GroÃe Jäger.
»Das klingt ziemlich martialisch«, sagte von Dirschau.
»In diesem Krieg hat es Opfer gegeben«, stellte Christoph fest.
»Krieg â Opfer.« Von Dirschau schüttelte den Kopf. »Ihr Sprachgebrauch gefällt mir nicht.«
»Schön. Führen wir die Unterhaltung im schlichten Hochdeutsch weiter«, sagte GroÃe Jäger und sah demonstrativ auf von Dirschaus gepflegte Hände. »Sie haben uns schon vor acht Jahren bei der ersten Begegnung klargemacht, dass Sie landwirtschaftlicher Unternehmer sind und andere arbeiten lassen. Gilt das auch für den Fall, dass Sie unliebsame oder unbeugsame Leute aus dem Weg räumen wollen?«
Es zeigte sich, dass von Dirschau über politische Erfahrung verfügte. Während andere Leute bei einem solchen Vorwurf erschrocken reagiert hätten, blieb der Mann gelassen. Zumindest zeigte er keine Regung.
»War das jetzt ein Statement aus Absurdistan?«
»Kommen Ihre Hilfstruppen für die schmutzige Arbeit aus dieser Region?«, konterte Christoph. »Ich erinnere mich, dass Sie damals illegal Leute aus dem Osten beschäftigt hatten.«
»Das war eine administrative Lappalie, die auf dem Verwaltungsweg geklärt wurde.«
»Eine nette Umschreibung für Sozialversicherungsbetrug«, höhnte GroÃe Jäger.
»Vorsicht!« Von Dirschau drohte dem Oberkommissar mit dem Zeigefinger.
»Wir möchten eine Aufstellung aller Leute, die sich derzeit auf Ihrem Hof aufhalten. Vergessen Sie dabei auch die nicht, die nur zu Besuch da sind«, sagte GroÃe Jäger.
»Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Wir suchen einen feigen hinterhältigen Mörder, der aus niederen Beweggründen gehandelt hat«, sagte Christoph.
»Und da wollen Sie sich bei mir umsehen? Lächerlich.«
»Die Polizei ist kleinlich. Sie interessiert sich nicht nur für den Ausführenden, sondern auch für den potenziellen Auftraggeber, den NutznieÃer aus der Tat«, fügte GroÃe Jäger an.
»Und da haben Sie mich im Verdacht?«
»Grundsätzlich erst einmal sehen wir uns jeden an. Sie werden es nicht glauben, aber die Mehrzahl der von uns im Zuge einer Ermittlung geprüften Personen ist unschuldig. Und wir freuen uns über jeden, von dem wir den Hauch des Verdachts nehmen können.« GroÃe Jäger sah
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