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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Mobbing gegen Witte blieb nicht ohne Auswirkung auf die Familie. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich so ein Gerücht, angetrieben von der Sensationsgier der Menschen. Es würde schwer sein, die Nachricht von Wittes Unschuld in gleicher Weise zu verbreiten. Schlechte Nachrichten oder eine üble Nachrede waren viel publicityträchtiger als die Rehabilitierung. Was für ein Wort. Schließlich schien Wittes Unschuld als erwiesen.
    Große Jäger, der Hilke Haucks Bericht mitgehört hatte, stimmte Christoph zu. Dann ließen sie sich Sönke Michelsen vorführen. Die wenigen Stunden im Keller der Polizeidirektion hatten auf den Mann Eindruck gemacht. Das Gesicht wirkte fast eingefallen, als er den Raum betrat. Er nahm vorn auf der Kante des Stuhls Platz und knetete nervös die Finger. Die Zungenspitze fuhr mehrfach über die Lippen.
    Â»Was haben Sie uns zu beichten?«, fragte Große Jäger, der sich auf der Schreibtischkante niedergelassen hatte und auf Christoph zeigte. »Mein Kollege ist ganz schön sauer, dass er über halb Eiderstedt hinter Ihnen her hetzen musste. Das mag er gar nicht gern. Das bringt Ihnen mindestens zwei Jahre zusätzlich ein.« Dabei grinste er und zwinkerte Michelsen vertraulich zu.
    Michelsen war das Erschrecken anzusehen.
    Â»Zusätzlich? Wozu denn? Ich habe doch nichts getan.«
    Â»Das nennst du nichts ?« Große Jäger war zum jovialen »Du« übergegangen. »Für nichts bist du aber verdammt schnell weg gewesen.«
    Â»Mir sind die Nerven durchgegangen. Mannomann.« Er hielt sich beide Fäuste an die Stirn. »Da steht ständig die Polizei auf der Matte. Da dreht man bei durch. Und als ihr nun wieder aufgekreuzt seid, da habe ich Reißaus genommen.«
    Â»So ganz ohne Grund flüchtet niemand«, gab der Oberkommissar zu bedenken.
    Â»Na ja, so ganz in Ordnung war das ja nicht, was ich verzapft habe.«
    Die beiden Beamten wechselten einen raschen Blick.
    Â»Das meine ich auch«, sagte Große Jäger in freundschaftlich klingendem Plauderton. »Jemanden um die Ecke bringen ist nicht okay.«
    Â»Nee«, pflichtete Michelsen bei. Plötzlich stockte er.
    Â»Seid ihr mall? Ich habe doch keinen umgebracht. Dass ich Witte welche verpasst habe und ihn in den Schuppen eingesperrt … Das war nicht richtig. Aber er hat angefangen«, begehrte Michelsen auf. »Ehrlich. Noch mal würde ich das nicht machen. Aber mir stand das bis hier.« Er fasste sich an die Gurgel. »Die Sache mit den Kindern … Da werde ich wild. Diese Schweine.«
    Â»In diesem Punkt haben Sie sich geirrt. Michael Witte war ausgesprochen kinderlieb. Das aber im allerbesten Sinne. Er hat sich nie in irgendeiner Weise Kindern genähert, die auch nur einen Hauch anstößig gewesen wäre. Ganz im Gegenteil.«
    Â»Aber …«, stammelte Michelsen. »Es sah doch so aus.«
    Â»Das ist ein Problem. Es ist gut, dass Mitbürger ein wachsames Auge auf das Wohl der Kleinen haben und Auffälligkeiten registrieren. Das darf aber nicht so weit gehen, dass eine regelrechte Treibjagd auf unschuldige Menschen gestartet wird.«
    Â»Es ist doch richtig, wenn sich Eltern dagegen wehren, dass Kinderschänder in ihrer Nähe einziehen.«
    Es war ein schwieriges Thema. Christoph wollte es nicht vertiefen. In Everschopkoog hatte man zu Unrecht Michael Witte diffamiert. Darunter litt auch seine Familie. Und in Emden hatte man zur Hetzjagd auf den Falschen aufgerufen und wollte sogar die örtliche Polizei stürmen, als man zunächst einen unschuldigen Jugendlichen verdächtigte, ein kleines Kind in einem Parkhaus vergewaltigt und ermordet zu haben.
    Â»Hat von Dirschau dich beauftragt?«, fragte Große Jäger beiläufig.
    Â»Dieser Arsch. Mit dem habe ich nichts am Hut. Bestimmt. Außer dass ich Witte erwischt habe, ist nichts geschehen. Tut mir leid.« Michelsen machte einen zerknirschten Eindruck. »Ich würde es gern ungeschehen machen. Sorry.«
    Â»Verhalten Sie sich das nächste Mal kooperativer«, sagte Christoph und entließ Michelsen.
    Die beiden Beamten lachten. Sie hatten selten jemanden so schnell das Büro verlassen sehen.
    Â»So fix wie Michelsen bin ich nicht«, erklärte Große Jäger, »aber ich werde jetzt auch Feierabend machen. Auf mich wartet mein Hund.«
    Â»Der ist doch bei seiner Tagesmutter gut aufgehoben«, entgegnete

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