Das Dorf in der Marsch
noch einmal auf die Hände von Dirschaus. »Können Sie überhaupt noch mit einem Trecker umgehen? Wissen Sie, wie man einen Radlader bedient?«
»Wofür halten Sie mich? Natürlich bin ich dazu in der Lage.«
Christoph verstand den Hintergrund dieser Frage. Witte â lebendig oder tot â musste oben in den Feststoffeintrag gebracht worden sein und von dort mit der Silage durch die rotierenden Messer ⦠Christoph setzte den Gedanken nicht fort. Auch ein kräftiger Mann hätte Probleme, einen menschlichen Körper über eine instabile Leiter dort hoch zu tragen. Dazu bedurfte es technischer Hilfsmittel, zum Beispiel eines Radladers.
»Haben Sie eigentlich eine Biogasanlage?«, wechselte Christoph das Thema.
»Ich verhalte mich ökologisch korrekt und versorge mit meiner Einrichtung das halbe Dorf mit Wärme. Wenn manche Bewohner nicht so borniert wären, könnte ich ganz Marschenbüll abdecken. Wir hätten dann eine perfekte Umweltbilanz.«
»An der es sich vortrefflich verdienen lässt«, knurrte GroÃe Jäger.
Von Dirschau überhörte es. Er stand auf.
»Ich bekomme meine Stunden nicht vom Staat bezahlt. Nur wer sich regt, kann etwas bewegen. Falls Sie weitere Fragen haben sollten, wenden Sie sich an mein Büro oder meinen Anwalt.«
»Noch eine Frage«, sagte Christoph auf dem Weg zur Haustür. »Kennen Sie Ludwig Böhner?«
»Kennt er mich?«
Es gab keine Worte der Verabschiedung. Von Dirschau führte sie zur Tür und schloss diese gruÃlos hinter ihnen.
»Dass der Typ nicht gut auf uns zu sprechen ist, kann ich verstehen«, meinte GroÃe Jäger, als sie wieder im Auto saÃen und Richtung Husum fuhren. Nach einer Weile überlegte er es sich aber anders. »Nee. Eigentlich begreife ich es doch nicht. Wo gibt es nettere Polizisten als uns?«
»Nicht jeder teilt deine Meinung.«
Der Oberkommissar rekelte sich im Sitz. »Kann sein. Aber in der Menschheitsgeschichte gab es immer Leute, die sich geirrt haben.«
»Gehören wir auch dazu«, sagte Christoph, »wenn wir von Dirschau zum Kreis der Verdächtigen zählen? Wenn es von Dirschau an einer Fusion der Gemeinden gelegen ist, war ihm Witte im Wege. Wenn sich von Dirschau einige Dörfer einverleiben könnte â¦Â«
»Eh! Wo leben wir denn? Auch wenn er groÃe Ländereien besitzt und Mitglied des Landtags ist, entscheidet er nicht darüber.«
»Wie stark ist das Interesse an der Kommunalpolitik in der Bevölkerung? Bei Bürgermeister- oder Landratswahlen beträgt die Wahlbeteiligung häufig keine dreiÃig Prozent. Darum sind Leute mit Engagement wie Witte wichtig. Das stört natürlich Figuren wie von Dirschau, die nicht ungehindert ihre Interessen im Hintergrund verfolgen können.«
»Glaubst du wirklich, dass das ausreichend für einen Mord ist?«, gab GroÃe Jäger zu bedenken.
»Es geht hier auch um groÃe Beträge. Wir haben vermutlich gar keine Vorstellung von dem, was sich dort bewegen lässt. Wychzek erzählte von Korruption, Kopplungsgeschäften und Einmalzahlungen. Das alles erfolgt hinter der vorgehaltenen Hand. Wir sollten uns einmal dafür interessieren, welche Spenden von Dirschau in jüngster Zeit getätigt hat. Vielleicht entdecken wir, dass er dabei zielgerichtet vorgegangen ist.«
»Und wer soll in der Ãffentlichkeit auftreten und sagen, der Herr Landtagsabgeordneter meint es gar nicht wohltätig, sondern dahinter steckt ein nüchternes Kalkül?«
»Ist es die Aufgabe von Leuten unserer Besoldungsklasse, darüber nachzudenken?«, erwiderte Christoph.
»Mir geht es nicht aus dem Sinn«, blieb GroÃe Jäger hartnäckig. »Witte ermordet, weil er sich gegen eine Einverleibung seines Heimatdorfes sträubt?«
»Er ist nicht allein. Es gibt noch ein anderes âºkleines gallisches Dorfâ¹ auf Eiderstedt.«
GroÃe Jäger grinste. »Du meinst Oldenswort. Die schlucken auch nicht alles, was ihnen präsentiert wird, und beäugen vieles kritisch.«
»Ich verstehe nur nicht, wie der Mord an Ludwig Böhner ins Bild passt«, sagte Christoph.
VIERUNDZWANZIG
Auf der Dienststelle widmete sich Christoph notgedrungen anderen Aufgaben, denn die Husumer Kripo wurde mit Fällen überhäuft. Die Bandbreite von zu verfolgenden Straftaten wie Körperverletzungen und
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