Das Dorn-Projekt: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 3
zukommen lassen. So was scheint momentan auf spirituellem Gebiet absolut angesagt.«
»Diese Leute scheinen ja recht gebildet zu sein. Ich könnte Gefallen daran finden,’mich selbst ein wenig in das einzulesen, was sie uns mitzuteilen haben. Ich könnte ein bisschen Unterhaltung ganz neuer Art gebrauchen. Glauben Sie, das hält sich?«
»Dieser Haufen namens Vereinigte Kirche?« Ihre Antwort klang absolut überzeugt, und sie gab sie in dem Wissen, dass die Geschichte auf ihrer Seite war: »Bestimmt nicht!«
Es war bereits dunkel, als sie in ihr Hotelzimmer zurückkehrte. Sie verriegelte die Tür hinter sich, ging zum Fenster und blickte hinaus in den Dschungel, der hier alles umgab. Würde man als Tourist unmittelbar in solch ein Zimmer gelangen, ohne zuerst die Stadt zu durchqueren, würde man sich beim Anblick dieses saftig grünen Panoramas nicht vorstellen können, dass eine nicht von Menschen besiedelte Megastadt mit zigmillionen Einwohnern unter der Oberfläche blühte und gedeihte. Wie alle anderen Thranx-Stöcke schlief auch Daret nie. Gewöhnt an das Leben unter Tage und höchst zufrieden damit, waren für einen Thranx Tag und Nacht beliebige Begriffe, Erinnerungen an eine vorsintfludiche Vergangenheit. Die biologische Uhr war bei einem Thranx zudem wesentlich anpassungsfähiger als bei einem Menschen und blieb unbeeindruckt vom Vorhandensein oder Fehlen von Tageslicht.
Fanielle jedoch war keine Thranx. Müde wie sie war, fand sie es verlockend, sich schlafen zu legen, sobald die Sonne unterging. Während sie die Aussicht bewunderte, beschloss sie, das Fenster zu öffnen, um frische Luft und die Geräusche der Nacht eines fremdartigen Regenwaldes einzulassen. Weil dies allerdings auch bedeutet hätte, die herrlich kühle, trockene Luft innerhalb des Zimmers gegen die heiße, schwüle Luft von draußen einzutauschen, änderte sie ihren Entschluss wieder.
Ein Bad, dann sorgfältig die privaten Notizen durchsehen und sich danach schlafen legen. Das Treffen mit Haflunormet war gut verlaufen. Wenn ihr gemeinsamer Freund morgen pünktlich und nicht zu erschöpft von der Reise ankam, hatte sie alles erreicht, was sie sich für ihren Besuch vorgenommen hatte. Dann konnte sie tatsächlich und wie vorgegeben Urlaub machen.
»Sso unwahrscheinlich grün, diesse Welt! Jississt, finde ich jedenfalls.«
Sie schrie nicht auf, weil ihre Lungen viel zu sehr damit beschäftigt waren, Luft zu holen, und kaum war sie herumgewirbelt, um ihrem unerwarteten Besucher in die Augen zu sehen, ließ sie dieser instinktgesteuerte Drang auch schon wieder im Stich. Doch selbst wenn sie geschrien hätte, hätte sie niemand hören können; denn auch ihr Zimmer hatte - wiejedes einzelne Zimmer in diesem Hotel - eine spezielle Schallisolierung.
Baron Preed NNXV hatte sich keine Mühe gegeben, seine Anwesenheit zu verbergen. Er hatte im Eingang zu den Sanitäreinrichtungen gestanden. Versunken in die herrliche Aussicht hinter dem lichtdurchlässigen Plastilin war sie an ihm vorbeigegangen, ohne ihn wahrzunehmen.
»Esss tut mir Leid.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Habe ich Ssie erschreckt?«
Sie machte einen etwa gleich großen Schritt rückwärts, war sich aber gleichzeitig bewusst, dass sie, wenn sie diesen aus der Vorsicht geborenen Tanz fortsetzte, wahrscheinlich nicht genug Platz dafür hatte. Der AAnn stand nicht zwischen ihr und der Tür, auch machte er keine Anstalten, den Ausgang zu blockieren. Aber die Reptiloiden konnten sich sehr schnell bewegen. Sie entschied, erst dann Fersengeld zu geben, wenn alle Stricke rissen.
Wenn schon nicht sein Auftreten, so war wenigstens sein Ton eine Bitte um Entschuldigung. Soweit ein AAnn zu einer Entschuldigung überhaupt fähig ist, dachte sie.
»Was, zum Teufel, machen Sie hier? Wie sind Sie in mein Zimmer gekommen?«
Sie verfolgte jede seiner Bewegungen mit höchster Aufmerksamkeit, als er geschmeidig einen Schritt nach links machte - und sich aufs Bett setzte. Der direkte Vergleich enthüllte die ganze Absurdität der Situation: Wäre er ein menschlicher Mann, wäre ihr Angstpegel jetzt deutlich angestiegen. Preeds Schwanzende schnellte gegen eines der beiden Kissen, was sie auf der Stelle zu dem Entschluss bachte, nicht mehr darauf schlafen zu wollen, ein völlig irrationaler Impuls: Die AAnn mochten die kampflüsterne Spezies sein, auch so tückisch, wie Haflunormet und seine Stockgefährten behaupteten, aber sie waren, was ihre Lebensweise anging, ausgesprochen
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