Das Dorn-Projekt: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 3
er schon angekommen?« Obwohl sie sich ruhig und entspannt fühlte, konnte sich Anjou dennoch nicht mehr zurückhalten.
»Noch nicht.« Mit vielen Komplexaugenlinsen erforschte Haflunormet aufmerksam jeden Baum und Busch, jeden vorbeischlendernden Thranx und jede sich nähernde Kreatur. Da er nichts Unnatürliches entdecken konnte oder etwas, das nicht hierher gehörte, fuhr er fort: »Die Ankunft seines Schiffes ist für morgen avisiert - oder möglicherweise für übermorgen. Ich darf es nicht sehr häufig überprüfen, ohne Verdacht zu erregen oder zumindest Fragen zu provozieren, die zu beantworten ich lieber vermeiden würde.«
Anjou nickte und beugte sich ein wenig vor, um einen genaueren Blick auf etwas zu werfen, das wie eine rubinrote Halskette auf Beinen aussah und kauend auf einem spateiförmigen Blatt saß. »Ich bin gespannt auf die neuesten Nachrichten. Zu schade, dass wir auf Kuriere angewiesen sind, aber wenn man für die Regierung arbeitet, gibt es so etwas wie private Minusraum-Kommunikation nicht.«
Haflunormet zeigte mit einer Geste Zustimmung, die auch Verständnis einbezog. »Es ist immer besser, entscheidende Informationen persönlich zu erhalten, und viel einfacher als zu versuchen, Gespräche zwischen Sternsystemen in Gang zu halten. Ganz zu schweigen davon, dass es auch weit weniger kostenintensiv ist.«
»Erwarten Sie irgendwelche Schwierigkeiten beim Arrangieren unseres Treffens?«
Haflunormets Antennen waren in Bewegung, seit sie den Teich erreicht hatten. Natürlich traute sich kein Thranx zu nah ans Wasser heran. Während die Thranx durchaus seine Schönheit zu bewundern wussten, zogen sie es vor, sich von seinen Gefahren fern zu halten. Wäre Anjou plötzlich der Gedanke gekommen, ein paar Runden zu schwimmen, hätte sie die ganze mit warmem kristallklarem Wasser gefüllte Lagune für sich gehabt - und garantiert Publikum angezogen. Die Thranx hingegen liefen nicht nur wegen der Lage ihrer Atemöffnungen Gefahr zu ertrinken - sie sanken auch wie Steine ins Wasser.
»Alles ist bereits arrangiert. Ich werde Sie in Kenntnis setzen mittels einer Einladung zu einer musikalischen Aufführung, in der Ort und Zeit angegeben sein werden. Ihnen ist der entsprechende Kode geläufig. Ich habe selbstverständlich auch die notwendigen Mittel zur Verfügung, um Sie direkt über Ihren persönlichen Kommunikator zu kontaktieren - über gesicherte Kanäle. Wenn es zu irgendwelchen Änderungen kommen sollte, werden Sie benachrichtigt.« Er berührte mit einer Antennenspitze ihren nackten rechten Arm, knapp unterhalb der Stelle, die der kurze Ärmel ihrer Bluse noch bedeckte. »Soweit wird es meines Erachtens keine Probleme geben.« Er vollführte die Geste, die bei einem Menschen ein schiefes Lächeln gewesen wäre, und pfiff gleichzeitig sanft durch seine Atemöffnungen. »Immerhin sind wir alle drei doch ›in Ferien‹!«
Sie wanderten den verschlungenen Pfad entlang, der den türkisfarbenen Teich umrundete, plauderten eine Weile über persönliche Dinge, ehe sie ihre Schritte zurücklenkten, um unmittelbar am Fuß der Zwillingswasserfälle innezuhalten. Aus dieser Nähe waren die beiden Wasserfälle beinahe noch schöner als aus der Distanz. Das Herabdonnern ihres Wassers sorgte hier noch mehr dafür, dass jemand, der sie heimlich verfolgte - auch wenn er über ausgeklügelte Abhörgeräte verfügte -, nicht das Geringste ihres Gespräches verstand.
»Die Ereignisse streben offenbar auf einen Höhepunkt zu, wenn auch einen, dessen möglichen Ausgang niemand vorherzusagen weiß.« Mit seinem vorzüglichen peripheren Sehen, das ihm die Natur ermöglichte, war der Thranx in der Lage, umfassend ihre Umgebung im Auge zu behalten. »Ich darf Ihnen versichern, dass innerhalb des Großen Rates immer mehr Druck entsteht, schon sehr bald tätig zu werden.«
Anjou kickte ein paar der farbigen Kieselsteine, die auf dem Weg lagen, fort. Obwohl ihre speziell entwickelte Tropenkleidung ihr nicht lästig fiel, wünschte sie sich sehnlichst, sich jedes Stück High-Tech-Zwirn vom Leib zu reißen, loszustürzen und in den kühlen, einladend blassblauen Teich zu springen. Sie sehnte sich danach, abzutauchen, gerade eben unter den Wasserspiegel, um das klare, unverfälschte Wasser über sich hinwegspülen zu lassen - die fremdartige Welt über ihr wäre ihrem Blick entzogen, fort all die Befürchtungen, Strapazen, all der Druck, all das, was von früh bis spät jeden ihrer Gedanken in der letzten Zeit
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