Das Dorn-Projekt: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 3
herauszufinden, was ihre menschlichen Gegenstücke an der gelben und rosafarbenen elektronischen Erscheinung so faszinierend fanden.
Ein gut angezogenes - eigentlich zu gut angezogenes - Paar mittleren Alters hatte an der gegenüberliegenden Seite gerade diesen Quadranten des weitläufigen Pavillons betreten. Dass sie immer wieder nach rechts und nach links Ausschau hielten, ließ nicht auf tiefere Beweggründe schließen: Alles auf einmal sehen zu wollen, war ein Leiden, das alle Messebesucher gleichermaßen befiel. Dann trafen sich Marions und Lawlors Blicke trotz der großen Entfernung. Und Marion starrte ihn derart an, als versuchte sie, ihm durch ihren Blick eine Frage zu übermitteln.
»Sie sind es, ganz sicher.« Lawlor kniff die Augen zusammen. »Was machen die denn hier drin? Sie sollten doch bei den Ständen zu Gesundheit und Gentechnik sein.«
»Sie sieht irgendwie beunruhigt aus.« Rabukanu konnte auf größere Entfernung besser sehen als sein Kamerad. »Vielleicht hattest du Recht damit, als du vor ein paar Minuten gemeint hast, irgendwas laufe schief.«
»Was ist mit Botha?« Nach Skettle war der Ingenieur das Gruppenmitglied mit dem höchsten Ansehen.
Rabukanu mühte sich damit ab, trotz der wogenden Besuchermassen etwas zu erkennen. »Schwer zu sagen. Normalerweise bringt dem ja nichts aus der Ruhe.«
»Nun, irgendwas muss die beiden dazu gebracht haben, ihre Positionen zu verlassen.« Lawlor warf einen prüfenden Blick auf sein Chronometer. »Elkannah ist zu spät.«
Sein Kamerad bemühte sich, Ruhe zu bewahren. »Wir haben immer noch ausreichend Zeit. Eigendich wär’s richtiger zu sagen, dass er nicht besonders früh dran ist. Vielleicht haben Martine und er einen größeren Umweg machen müssen, um zur Kommunikationszentrale zu gelangen. Sind vielleicht deshalb so spät dran. Aber es ist immer noch Zeit genug. Also entspann dich!«
»Klar, entspann ich mich eben!« Unter der leichten Tropenjacke trug Lawlor nicht nur mit dünnen Sprengstoffplatinen bestückte Gurte, sondern auch mehrere Halfter, in denen Pistolen steckten. Tief in den Taschen der Hose klimperte eine Hand voll Tacnit-Kapseln aneinander. Lawlor wies seinen Kameraden nicht darauf hin, dass sie beide nicht gerade angemessen angezogen waren für einen entspannten Ausflug nach getaner Arbeit. »Was machen die beiden denn gerade?«
»Sie kommen zu uns herüber.« Rabukanu zuckte gelassen mit den Schultern. »Wollen vielleicht einfach nur ‘n bisschen Zeit totschlagen statt ein paar Schaben.« Er zeigte ein Lächeln, das so bösartig und gemein war wie das eines Lehrers, der sich gerade die Freude gönnt, einen seiner Schüler herunterzuputzen. »Oder vielleicht ist was passiert, und sie mussten ihre Position aufgeben. Du weißt ja, falls das passiert, sollen wir uns mit ihnen zusammentun und gemeinsam unsere Position hier halten. Da gibt’s ‘ne ganze Menge von möglichen Gründen, durch die sie in Zugzwang geraten sein könnten.«
Lawlor beobachtete mit scharfem Blick die vorbeiwogenden Touristenmassen. »Tja, wirst schon Recht haben!« Er konnte den Impuls, nochmals schnell auf sein Chronometer zu schauen, nicht unterdrücken. »Ich wünschte nur, Elkannah würde endlich die Sache mit der Kommunikationszentrale erledigen, damit wir uns auch endlich an die Arbeit machen können!«
»Scharf drauf, ein kleines Feuer zu legen, was?« Rabukanus Lächeln verschwand. »Ich auch! Hast du ‘ne Ahnung, wie gebratener Käfer riecht?«
Lawlor gab keine Antwort. Rabukanu hatte die irritierende Angewohnheit, sich ständig zu wiederholen. Die eben gestellte Frage war in der Gruppe längst schon ein Running Gag, und Lawlor konnte Ablenkungen dieser Art in der momentanen Situation nicht gebrauchen. Stattdessen konzentrierte er sich auf ihre beiden Mitstreiter, die bald bei ihnen ankommen würden, und wunderte sich immer noch, was die beiden dazu gebracht hatte, die ihnen zugewiesene Position zu verlassen. Rabukanus Einschätzung der Situation hatte ihn zwar beruhigt, aber dennoch war da ein kleiner nagender Zweifel.
Und dann geschah alles so schnell, dass Lawlor kaum Zeit zu reagieren hatte. In dem einen Moment schlenderten ihre beiden Kameraden noch auf sie zu, und im nächsten wurden sie förmlich von mehr als einem halben Dutzend Touristen überrannt. Männer, Frauen, ja sogar ein paar Mädchen im Teenager-Alter waren dabei. Nur dass es keine Touristen waren. Koagulierende Fesseln drückten Marions Hände zusammen und ihre Arme
Weitere Kostenlose Bücher