Das Dornenhaus
Sie mieteten Zimmer in einem Landgasthof in Lismore und erkundigten sich nach dem Weg zum Friedenstal.
»Nie davon gehört«, meinte die Frau, die die Gaststube kehrte und die Kassenabrechnung machte.
Auch woanders hatten sie wenig Glück, bis Max vorschlug, sie sollten es in der Tierfutter- und Saatguthandlung am Ort versuchen. »Irgendwo müssen sie ja ihre Vorräte einkaufen, schätze ich.«
Der Kaufmann blieb vage und schüttelte den Kopf. »Der Name sagt mir gar nichts. Ich dachte, ich würde die meisten Orte hier in der Gegend kennen. Sind natürlich eine Menge Farmen verkauft worden und neue Leute eingezogen, vielleicht haben sie das Land aufgeteilt und nennen es jetzt anders.«
»Was für Leute ziehen da ein?«, fragte Odette. »Gentleman-Farmer, würde ich sagen. Auch ein paar Leute aus der Stadt. Sagten, sie hätten in der Stadt alles verkauft.«
»Genau diese Leute suchen wir. Können Sie sich erinnern, wo die jetzt leben, oder haben Sie vielleicht Kundenkonten für sie eingerichtet, zu denen es auch Adressen gibt?«
Der Mann kratzte sich am Kopf. »Die zahlen meistens bar. Aber einer der Jungs hat vor kurzem da was hingeliefert. Stimmt – er sagte, da gäbe es ein paar Familien auf einem großen Anwesen. Ein Riesengrundstück. Die hatten ein paar teure Landmaschinen bestellt.«
»Wo ist der Junge, der sie geliefert hat? Er könnte uns sagen, wohin er gefahren ist.«
»Das muss Terry gewesen sein. Der liefert gerade eine Ladung Saatgut aus. Müsste morgen früh zurück sein.«
Während Max sich in seinem Zimmer über dem lärmenden Gasthof aufs Ohr legte, schlug Odette die Adresse der Lokalzeitung nach und trottete die Straße hinunter zum
Northern Star
. Sie bat darum, den Chef vom Dienst sprechen zu können, und erklärte ihm, sie sei daran interessiert, Leute aus Sydney zu finden, die hier in der Gegend Land gekauft hätten.
Der Zeitungsmann betrachtete die hübsche Frau, die vor ihm stand. »Klingt nicht gerade nach ’ner aufregenden Story«, bemerkte er trocken. »Viele Leute kaufen hier Land. Weil’s billig ist.«
»Ich meine nicht solche, die es als Geldanlage sehen oder die hier ihren Lebensabend verbringen wollen. Ich meine junge, gebildete Familien, die aus den Städten hier in den Bezirk ziehen.«
»Das wäre ganz schön verrückt, wenn Sie mich fragen. Die Orte hier in der Gegend sterben genauso aus wie die Milchwirtschaft. Es gibt keine Arbeit. Kleine Schulen und Krankenhäuser werden geschlossen. Wir sind jetzt hier der einzige größere Ort. Hinter was sind Sie denn genau her?«
Odette versuchte einzuschätzen, ob er nur verschlossen war und nicht zu viel preisgeben wollte oder ob er tatsächlich nichts von den neuen Siedlern wusste, die hier in die Gegend gezogen waren. Wenn er nichts davon gehört hatte, wollte sie ihn nicht neugierig machen und so ihre Story verlieren. Wenn es überhaupt eine Story gab.
Sie dachte rasch nach. »Schauen Sie, eigentlich geht es mir nur um eine bestimmte Familie. Eine Zahnarztfamilie. Sie sind offenbar aus Sydney geflohen, worüber viele seiner Patienten gar nicht glücklich sind. Hat sie ausgenommen und eine Menge Schulden hinterlassen.« Im Stillen entschuldigte sich Odette bei Mrs. Corrigans gutem Zahnarzt.
»Für wen arbeiten Sie, sagten Sie?«
»Ich habe nichts dergleichen gesagt. Aber ich arbeite für die Australische Zeitungsgesellschaft.« Sie erwähnte nicht, dass sie bei der
Women’s Gazette
war, denn eine Sensationsgeschichte über einen betrügerischen Zahnarzt würde dort nicht gebracht werden.
»Tja, ich kann Ihnen leider nicht helfen. Sprechen Sie mit Tom Ribbons, unserem Lokalreporter – der kommt mehr in der Gegend herum.«
»Danke, dass Sie sich für mich Zeit genommen haben.« Odette schüttelte ihm die Hand, froh, dass sie ihm nicht ihren Namen genannt hatte. So würde er sie nicht aufspüren können, wenn er daran denken sollte, die Geschichte für den
Star
zu verbraten.
Sie beschloss, nicht mit dem Reporter zu sprechen, und ging stattdessen zum Gasthof zurück. Da Max, wie sie wusste, immer noch tief und fest schlafen würde, trat sie an das vor dem Gasthof parkende Taxi und klopfte an die Scheibe.
Der Fahrer, der mit dem Kopf an der Rückenlehne seines Sitzes friedlich schnarchte, fuhr mit einem Ruck hoch, beugte sich hinüber und öffnete die Beifahrertür. »Tut mir leid. Wohin?«
»Egal. Ich bin Touristin. Zeigen Sie mir die Sehenswürdigkeiten.«
Er grinste sie an. »Sie wollen mich auf den Arm
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