Das Dornenhaus
nehmen.«
»Nein, ich meine es ehrlich. Ich möchte etwas von der Gegend hier sehen.« Sie grinste zurück.
Der Fahrer ließ den Motor des Holden an und gluckste. »Sie meinen die Kathedrale, den Park, den Fluss? Das geht schnell.«
»Nein, ich dachte mehr an die weitere Umgebung. Wie weit können wir in die Hügel und Täler hineinfahren, bis es dunkel wird?«
»Ach, ein ganzes Stück. Welche Richtung?«
»Die schönste. Leben Sie hier im Ort?«
»Ja.« Der Fahrer fuhr die Hauptstraße hinunter und wusste immer noch nicht so recht, was er von seinem Fahrgast halten sollte.
»Wenn Sie in eine wirklich schöne Landschaft ziehen wollten, alles hinter sich lassen sozusagen, ein neues Leben anfangen, wohin würden Sie dann gehen?«
»Müsste ich immer noch Taxi fahren? Ich meine, wenn ich weiter damit meinen Lebensunterhalt verdienen müsste, würde das meine Entscheidung schon beeinflussen.«
»Nein, gehen wir mal davon aus, Sie hätten ein bisschen Geld, würden sich vielleicht zusammen mit ein paar Freunden ein Stück Land kaufen und ein Haus bauen, ein neues Leben beginnen ohne all die Hektik oder sich vielleicht ganz zurückziehen und das tun, was Sie schon immer tun wollten. Wohin würden Sie dann gehen?«
Das Gesicht des Fahrers erhellte sich. »Ja, dann ist es ganz einfach. In die Täler am Fuß der Berge. Da ist es einfach wunderschön. Alles alte Milchfarmen.«
»Gut, dann fahren wir dahin.« Odette machte es sich auf ihrem Sitz bequem.
Der Fahrer warf ihr einen Blick von der Seite zu. »Soll mir recht sein. Haben Sie vor, hier raufzuziehen?«
»Ich will mich nur umschauen. Erzählen Sie mir von diesem Bezirk. Wie ist das Klima hier, das Land, die Leute?«
»Der feuchteste Teil des Staates. Subtropisch, grün und dunstig. Die Bewohner sind konservative, solide Farmer und Holzarbeiter. Was soll das werden, ein Frage-und-Antwort-Spiel?«
Sie fuhren durch eine Landschaft mit verstreuten Farmhäusern, Koppeln, fetten Kühen und Bananenplantagen. Der Fahrer sprach leise, kenntnisreich und voll offenkundiger Verbundenheit mit dieser Gegend.
»Diese Berge sind erloschene Vulkane, und weiter oben, nach Norden zu, kommt man in den richtigen Regenwald. Ich stamme aus dem Tweed Valley nicht weit von Murwillumbah, und das ist wirklich Gottes eigenes Land. Meine Familie lässt sich bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zurückverfolgen – die ersten Zedernfäller. Kann man ihnen nicht vorwerfen, wenn man die Zeit bedenkt, aber es ist eine verdammte Schande, was sie getan haben. Die Verlockung des roten Goldes wurde es genannt, Wälder, die es seit Tausenden von Jahren gegeben hatte, wurden zerstört.
Die ersten Farmer kamen so um 1860 herum. Schottische und irische Auswanderer. Sie rodeten den Wald für die Landwirtschaft und löschten damit natürlich die dort lebenden Aboriginestämme aus, die Sammler und Jäger waren – sie verloren ihre Nahrungsgrundlage. Dann kam das Zuckerrohr und danach die Milchwirtschaft, Bananen, Holzabbau und Anbau von Getreide.«
»Warum wohnen Sie in der Stadt? Sie scheinen das Land doch sehr zu lieben.«
»Wir waren nie Farmer, meine Familie hat immer nahe der Stadt gelebt und gearbeitet. Könnte meine Frau nicht dazu überreden, von all den modernen Annehmlichkeiten wegzuziehen.«
»Und was ist mit Ihnen?«
»Ich würde sofort in den Busch gehen. Bin kein Kneipengänger. Hab eigentlich die Schnauze voll vom Stadtleben. Wenn man mir die Chance geben würde, tät ich mich glatt mit diesen neuen Siedlern zusammen.«
»Neue Siedler? Sie haben von denen gehört? Erzählen Sie mir, was Sie wissen«, sagte Odette interessiert.
»Stadtleute. Hauptsächlich aus Sydney. Vor einem Jahr oder so sind die ersten hierher gezogen. Haben ein paar angrenzende Milchfarmen gekauft, die Bankrott gegangen waren, haben eine Gemeinschaft gegründet, ernähren sich vom eigenen Anbau, haben Häuser gebaut, unterrichten ihre Kinder selbst und versuchen sich sozusagen der Landschaft anzupassen.«
»Warum haben Sie mir nicht früher davon erzählt?«
»Weil Sie nicht speziell danach gefragt haben.«
Das musste sie sich merken. Schöne Reporterin! »Stimmt, da haben Sie Recht. Wissen Sie, wo diese Leute sind?«
»Klar. Ich bin ziemlich oft dort. Alle vierzehn Tage fahre ich ein oder zwei Frauen von denen in die Stadt zum Einkaufen. Wenn sie auch eigentlich nicht viel aus der Stadt brauchen. Die betrachten das mehr als Ausflug.«
»Könnten Sie mich dorthin bringen?«
»Heute nicht
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