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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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mehr, es wird bald dunkel, und der Weg ist schon bei gutem Licht ziemlich schwierig. Wie wär’s mit morgen?«
    »Okay. Meinen Sie, es macht denen was aus, wenn ich da so einfach reinschneie?«
    »Glaub ich nicht. Das sind zivilisierte Leute. Haben zwar andere Vorstellungen, aber ich muss sagen, ich bin ziemlich beeindruckt von dem, was sie bisher geschafft haben und noch erreichen wollen. Idealisten und Träumer in gewisser Weise, aber jemand muss ja den Anfang machen und mit dem ganzen Schlamassel aufräumen, in den wir zu rutschen scheinen, was?«
    »Welcher Schlamassel?« Odette beugte sich vor und reckte den Hals, um die Wipfel der Bäume zu sehen, die rechts und links des ausgefahrenen Lehmweges standen. In der Ferne ragten gezackte Berge verlockend zwischen Wolken und Baumwipfeln auf.
    »Zu viele Menschen, zu viel Müll und Abfall, zu viel Habgier … ach, Sie werden das alles morgen hören.« Er sah sie neugierig an. »Warum sind Sie überhaupt so daran interessiert?«
    »Ich bin Reporterin.«
    »Das passt. Wollen Sie sich über diese Leute lustig machen oder sie ernst nehmen?«
    »Keins von beidem. Ich schreibe nur, was ich sehe und höre. Meinen Sie, das macht denen was aus? Ich will mich da nicht einschleichen und so tun, als sei ich keine Reporterin. So arbeite ich nicht.«
    »Dann werden Sie willkommen sein. Der Weg wird ab hier ein bisschen holprig, wir sollten besser umkehren. Ich zeige Ihnen die Katzenfälle, wenn Sie wollen.«
    Er bog mit dem Taxi auf einen schlammigen Pfad ab, fuhr einige hundert Meter und hielt an. »Von hier aus sind es nur ein paar Minuten zu Fuß.«
    Odette folgte dem stämmigen Fahrer, der Shorts, Kniestrümpfe, Sandalen und ein weißes kurzärmeliges Hemd trug.
    Der Pfad führte zu einem kleinen Aussichtsplatz am Rande eines steilen Abhangs. Gegenüber bildete ein hoher Felsen ein Halbrund aus grauem und rostfarbenem Granit, dessen nasse Oberfläche im letzten Sonnenlicht glänzte. In der Mitte der hohen Felswand stürzte ein schmales Band schäumenden Wassers hinab in ein Becken, das außer Sichtweite lag. Rechts und links davon klammerten sich Vogelnestfarne, Talgholzbäume und hohe Schirmfarne an den nackten Fels.
    »Warum heißt er Katzenfall?«
    »Hören Sie.«
    Über dem Dröhnen des herabstürzenden Wassers war das klagende Schreien einer Katze zu hören.
    »Was ist das? Doch bestimmt keine echte Katze?«, fragte Odette erstaunt.
    »Katzenvögel. Leben von Früchten und Nüssen in den Wipfeln der Bäume und miauen wie Katzen. Daher der Name.«
    Wieder ertönte das Miauen, und Odette lachte. »Von denen hab ich noch nie gehört. Wie sehen sie aus?«
    »Sie sind schwer zu entdecken – ziemlich große Vögel mit leuchtend smaragdgrünem Gefieder. Man hört sie meist nur bei Sonnenaufgang und in der frühen Dämmerung wie jetzt. Niemand weiß, warum ihre Rufe so klingen. Bestimmt nicht, um Katzen nachzuahmen, da es im Regenwald nie welche gegeben hat. Auch keine Hunde. Nicht mal wilde.«
    Sie gingen zurück zu dem abgestellten Taxi. »Sie wissen wirklich eine Menge.«
    »Man kann nicht in einer Gegend wie dieser leben, ohne das eine oder andere über sie zu lernen. Wenn vielleicht mehr Menschen herkämen, würden sie das zu schätzen wissen, was wir hier haben, und ein bisschen besser drauf Acht geben, statt das Land kaputtzumachen. Ich sag Ihnen, bis wir die achtziger Jahre erreichen, kann es vielleicht schon zu spät sein.«
    Odette nickte nachdenklich, wollte sich aber nicht auf eine Diskussion einlassen. Der Fahrer hatte ihr genug Stoff zum Nachdenken gegeben, und sie sehnte sich allmählich nach einem Becher heißem Tee oder einem großen kalten Bier. Max lehnte bestimmt schon an der Bar des Gasthofs.
    Die Fahrt zurück in die Stadt war wunderschön, und sie beobachteten schweigend, wie der Abendnebel aufstieg, sich sanft um die großen Bäume und über das Land legte und die Täler verbarg, in die sich Schlaf und Stille zu senken schien.
    Odette fand Max an der Bar, wie sie vorausgesehen hatte. Er winkte ihr zu. »Wo warst du? Was möchtest du haben?«
    »Was zu essen. Ich bin halb verhungert. Ich werde einen Drink zum Essen nehmen. Wollen wir hier bleiben oder zum Chinesen gehen, ein Stück die Straße rauf?«
    Max griff nach seinem Bierkrug. »Lass uns in die Gaststube gehen. Die Leute hier sagen, das Essen sei gut.«
    Odette folgte Max, der von dem schmalen Barhocker glitt und vor ihr her in die Gaststube ging. »Und was haben dir die Einheimischen noch so

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