Das Dornenhaus
Oder nach seinen eigenen Regeln leben.«
»Aber nicht auf selbstsüchtige Weise. Er ist ein freier Geist, und das ist eines der Dinge, die ich an ihm liebe – seine Zigeunerseele. Ich glaube, wenn ich ständig mit ihm zusammen wäre, würde der Zauber verfliegen.«
»Auf was bist du dann aus? Im Moment schwimmst du obenauf, weil du einen interessanten Job und deine Freiheit hast. Aber was kommt dann? Denkst du nie an Kinder, an eine Familie, daran, etwas tief Schürfendes und Bedeutungsvolles zu schreiben?«
Odette faltete die Zeitung zusammen, schob den Stuhl zurück und trug Teller und Tasse zur Spüle. »Das ist zu tiefsinnig fürs Frühstück. Ich nehm’s, wie es kommt, einen Tag nach dem anderen.«
»Ich wette, das ist Zacs Philosophie.«
Odette antwortete nicht und stapfte unter die Dusche. Sie konnte nicht beschreiben, was sie mit Zac verband.
Später, als sie im Büro war, ging sie hinunter in die Nachrichtenredaktion, um ein paar Nachforschungen wegen des Artikels über Zac anzustellen. Er war über den Ticker gekommen, und es hatte keine Zitate von Zac gegeben. Das Foto war ein Standbild aus dem Film. Odette war instinktiv davon überzeugt, dass Zac noch im Friedenstal war und keine Ahnung davon hatte, welchen Eindruck der Film – und er – gemacht hatten.
»Ich kenne den Jungen ziemlich gut. Wollt ihr eine Geschichte über ihn? Ich glaube, er ist immer noch da oben im Norden. Ich fliege rauf und telefoniere sie euch morgen durch«, schlug sie dem Nachrichtenredakteur des
Daily Telegraph
vor. »Für die
Gazette
, die ja nur wöchentlich erscheint, käme sie nicht mehr rechtzeitig. Gut, dass wir zur selben Zeitungsgruppe gehören. Jeder wird ihm auf den Fersen sein, aber ich glaube, ich weiß, wo er ist und dass er von all dem noch keine Ahnung hat.«
»Verdammt, Odette, hast du einen geheimen Draht zu allen Sensationsnachrichten?«, spöttelte der Nachrichtenredakteur, fügte aber rasch hinzu: »Gut. Wenn die
Gazette
einverstanden ist, dann lass es uns machen. Kümmere dich nicht erst um einen Fotografen, wir benutzen das Bild hier.«
Widerwillig stimmte die
Gazette
zu, dass Odette zum Friedenstal flog und für den
Daily Telegraph
einen Artikel über Zac schrieb.
Als sie aus dem Flugzeug auf den cremeweißen Küstenstreifen von New South Wales hinunterschaute, bekam sie plötzlich Zweifel – was, wenn sie vergeblich hinter Zac herjagte? Er könnte längst drüben in England oder Amerika sein und sich vom Fernsehen und von Schallplattenfirmen feiern lassen. Aber das hätte er ihr gesagt, führte sie an. Nicht unbedingt, antwortete sie sich selbst. Zac folgte seinem eigenen Plan – er war nicht an Publicity interessiert.
Sie bestieg ein Taxi und ließ sich zum Friedenstal fahren. Das Tal lag so ruhig und friedlich in der Vormittagssonne wie immer. Zwei Männer, die Bananen abschnitten, unterbrachen ihre Arbeit und sahen dem Taxi nach, das über den ausgefahrenen Pfad zu Zacs Haus holperte.
Als sie um eine Biegung kamen, entdeckte Odette Ruth Rawlings, die mit einem kleinen Mädchen an der Hand neben dem Pfad herging.
»Halten Sie bitte an, ich möchte mit der Frau da sprechen.«
Odette rief Ruths Namen. Sie umarmten sich, und Odette fragte atemlos: »Ist Zac immer noch hier im Tal?«
»Ja, er ist hier. Ist was passiert? Es ist so schön, dich wiederzusehen. Wie war’s im Ausland?«
»Wunderbar. Ich bring nur meine Sachen rasch zu Zac. Wir sehn uns später, dann erzähl ich dir alles.«
»Ich bin im Studio beim Kunstunterricht der Kinder«, rief ihr Ruth nach, als Odette wieder ins Taxi stieg. »He, was bringt dich hierher zurück? Die Liebe oder ein Artikel?«
»Beides«, erwiderte Odette aus dem fahrenden Wagen.
Sie ging die Treppe hinauf zur Veranda, rief: »Zac?«, und betrat das geräumige Wohnzimmer.
»Ich bin hier, Odette«, kam Zacs ruhige Antwort.
Sie ließ ihre Reisetasche fallen und eilte ins Schlafzimmer.
»Zac? Du wusstest, dass ich es bin?«
Er saß auf dem Fußboden, Kleidungsstücke, Notenblätter und Bücher lagen um ihn herum verstreut. Er packte. »Ich habe ein Auto gehört und aus dem Fenster gesehen.« Er faltete einen Pullover zusammen und stopfte ihn in seinen Seesack. »Komm und gib mir einen Kuss, kleiner Vogel. Es ist lange her.«
Odette seufzte. Sie hatte ihr Verlangen überwunden, der einzige Mensch in seinem Leben zu sein, aber hätte er nicht zur Tür laufen, sie umarmen und begrüßen können? »Du weißt also, was los ist?«
»Was soll los
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