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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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war, ein paar Nachforschungen bei der Stadtverwaltung von Kincaid anzustellen. Statt sich am Telefon mit Ausreden abspeisen zu lassen, fuhr sie selbst dorthin.
    Sie bat darum, mit jemandem vom Baudezernat sprechen zu können. Dabei lächelte sie die junge Dame am Informationsschalter freundlich an. »Jemand, der Geduld hat und mir die Dinge so erklären kann, dass ich sie verstehe«, sagte sie.
    Die Frau verdrehte die Augen und forderte sie auf zu warten. Sie hielt Odette für eine von diesen dämlichen Weibern, die keine Ahnung von Planungsvorgängen und Bebauungsanträgen haben. Die Leute marschierten hier einfach so rein, als würden Baugenehmigungen wie Konfetti in der Gegend verstreut.
    »Mr. O’Toole, der alte Knacker, soll er sich doch mit dieser jungen Frau rumärgern«, dachte sie mit einem hämischen Grinsen.
    Der wohlbeleibte Beamte führte Odette zu seinem Büro.
    Während sie den Korridor entlanggingen, in dem ernste Fotos ehemaliger Bürgermeister aufgehängt waren, empfand Odette Mitleid mit dem alten Mann. Er war klein und ein bisschen krumm, sein verknittertes weißes Hemd hing ihm teilweise aus der Hose, die vor Alter glänzte. Genau wie die Hose würde er wohl bald ausgemustert werden und in Pension gehen. Dazu trug er altmodische Hosenträger und einen abgewetzten Ledergürtel.
    Mr. O’Tooles Büro passte zu dem Mann. Es war klein und schlecht beleuchtet, voll gestellt mit Aktenschränken und überhäuft mit aufgerollten Karten und Plänen. Sein Schreibtisch lief fast über. Aber als sie sich unterhielten, fand Odette in dem alten Mann eine warmherzige Persönlichkeit mit einem Schuss irischem Humor.
    Sie verstanden sich auf Anhieb, plauderten über die Unbequemlichkeit von Behördenbüros und Redaktionsräumen. Dann begann ihm Odette vorsichtig auf den Zahn zu fühlen. Sie hoffte, nicht nur Informationen zu bekommen, sondern auch Mr. O’Tooles Gerechtigkeitssinn anzusprechen.
    »Prächtig, dieses Zanana. Hab ein paar Leute gekannt, die früher da gearbeitet haben. Phantastischer Rosengarten. Bin selbst so was wie ein Rosenliebhaber«, vertraute er ihr an. »Schade, dass das alles verschlossen und vernachlässigt ist. Die Rosen bräuchten dringend Pflege.«
    »Wäre doch schrecklich, das alles zu verlieren – es abzureißen, die Gärten einzuebenen und so, nicht wahr?«, sagte Odette.
    Mr. O’Toole zupfte sich schockiert an seinem silbrigen Schnurrbart. »Mein liebes Kind, so was dürfen Sie nicht mal denken. Das wird man bestimmt nicht zulassen. Zanana ist ein Juwel, eine echte Kostbarkeit.«
    »Aber dem Stadtrat liegen Anträge vor, Mr. O’Toole, die genau das bezwecken. Hacienda Homes will das ganze Grundstück parzellieren.«
    »Es ist aber nicht verkauft worden, nicht wahr? Dem Stadtrat liegt nur ein Antrag zur Umwandlung in Bauland vor. Ich glaube nicht, dass das Bauunternehmen seine Baupläne bisher veröffentlicht hat. Das ist auch nicht nötig. Natürlich ist Parzellierung die einzige Möglichkeit für den Bauunternehmer. Sehr zu bedauern, wirklich, aber es finden jetzt so viele Veränderungen statt. Die kann man nicht aufhalten, wissen Sie. Man kann nur hoffen, dass der Stadtrat darauf bestehen wird, einen Teil von Zananas außergewöhnlicher Schönheit zu erhalten.«
    »Ihre Hoffnung in Ehren, Mr. O’Toole, aber es gibt wohl kaum Grund für solchen Optimismus, oder?«
    »Nun ja, der Stadtrat muss die Meinung der Bürger genauso berücksichtigen wie die Pläne der Bauunternehmer, und die Leute hier sind wirklich zum Kampf bereit. Hab noch nie so was erlebt. Eine gute Sache«, begeisterte sich der alte Beamte.
    Da sie das Gefühl hatte, einen wichtigen Verbündeten gefunden zu haben, hakte Odette nach, um diese Verbindung zu festigen. »Es wäre wunderbar, wenn Sie etwas beisteuern könnten, damit sichergestellt wird, dass das Richtige geschieht.«
    Der alte Beamte machte sich mit den Unterlagen auf seinem Schreibtisch zu schaffen und bedachte Odettes Bitte. Er hatte dreißig Jahre damit verbracht, Papiere herumzuschieben, deren äußerst langweiliger Inhalt mit der Verwaltung einer Kommune zu tun hatte, in der nie etwas von Bedeutung geschehen war. Jetzt zog ihn eine Reporterin von einer der großen überregionalen Zeitungen ins Vertrauen. Kincaid würde Schlagzeilen machen. Es passierte tatsächlich mal etwas in Kincaid, und er hatte die Chance, dabei eine wichtige Rolle zu spielen.
    Odette beobachtete ihn, sagte aber nichts.
    Er gab das Herumkramen in seinen Unterlagen

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