Das Dornenhaus
Mädchens, wenn sie zusammen waren, machte sich aber Sorgen um Catherines Gesundheit. Er war froh, dass sie mit Mary glücklich war, bezweifelte jedoch, dass sie es so bald auch noch mit einem zweiten Kind aufnehmen konnte. Er würde warten und einen Jungen adoptieren, wenn Catherine sich wieder kräftiger fühlte.
Catherine fuhr fort, die Dinge zu tun, die sie am meisten genoss. Sie verbrachte viel Zeit in ihrem Rosengarten, wenn sie auch in letzter Zeit nicht mehr die Kraft hatte, sich ihrer Pflege zu widmen, aber sie saß gerne dort und erfreute sich an ihrer Schönheit und ihrem Duft. Sie unterrichtete Mary weiterhin, lehrte sie englische und schottische Geschichte und flocht dabei Erzählungen aus ihrer eigenen Kindheit ein. Mary war wie verzaubert, sowohl vor Freude, dass sie bei Catherine sein durfte, wie auch von den Geschichten, die sie erzählte. Mary liebte ihre schöne neue Mama abgöttisch und freute sich auf den Unterricht, weil sie dann der Mittelpunkt von Catherines Zeit und Aufmerksamkeit war. Doch wie sehr sie es auch genoss, die aufgeweckte und aufmerksame Mary zu unterrichten, wurden die Zeiten, die Catherine ruhend in ihrem kühlen Schlafzimmer verbrachte, immer länger.
Und so freute sich Robert, als Catherine vorschlug, ihn zusammen mit Mary auf seiner nächsten Fahrt nach Sydney zu begleiten. Robert küsste Catherine, als sie in der Stadt ankamen, in der es bereits von Büroangestellten, Verkäuferinnen und Straßenhändlern wimmelte.
»Willst du auch wirklich allein durch die Straßen gehen? Der Verkehr wird immer dichter heutzutage, ganz zu schweigen von den finsteren Gestalten, die in manchen Gegenden herumlungern.«
»Wir werden schon zurechtkommen, Robert. Wir werden uns an die Hauptstraßen im Zentrum halten, außerdem wird es ein Abenteuer werden, nicht wahr, Mary?«
Das kleine Mädchen nickte, die Augen leuchtend vor Aufregung. Sie griff nach Catherines Hand, hielt ihren Strohhut fest und versuchte, all die Anblicke, Geräusche und Gerüche in sich aufzunehmen.
Catherine und Mary begannen ihren Stadtausflug mit einer Fahrt in einem von Pferden gezogenen Bus, der sie über die George Street zum Circular Quay brachte, wo sie sich die Frachter, Dampfschiffe und das geschäftige Treiben am Hafen ansahen. Sie spazierten durch den Botanischen Garten, kauften von einem Jungen eine Tüte mit Brotkrümeln und fütterten die Enten im Teich. In der Nähe stolzierten gebieterische Pfauen auf und ab, die männlichen Tiere ließen ihre üppig gefiederten Schwänze in arroganter Lässigkeit nachschleifen.
Zurück in der Stadt, machten sie einen Schaufensterbummel durch die Sydney Arcade. Während Catherine unter dem hohen, gewölbten Dach aus Glas und Stahl entlangschlenderte, lief Mary voraus und drückte ihre Nase an das Schaufenster eines Spielzeugladens.
Aufgetürmt lagen dort bunte Kreisel, Kisten mit Bilderbüchern, Maltafeln und Farbkästen, Rechenschieber mit bunten Kugeln und alle möglichen Brettspiele von Cribbage, Dame und Flohhüpfen bis zu hübschen Spielesammlungen in ausklappbaren Mahagonikästen. Es gab Bilder für die Laterna Magica, Zinnsoldaten, Masken und jede erdenkliche Art von Aufziehspielzeug. Im Inneren des Ladens lockten Schaukelpferde, Puppen und Puppenstuben.
»Papa hat dir zwei Shilling gegeben, würdest du dir davon gerne hier etwas kaufen?«, fragte Catherine mit einem Lächeln.
»O ja, ich glaube schon.«
Mary lief voraus und guckte in die Schaukästen. Catherine fühlte sich wieder wie ein kleines Mädchen und ging direkt zu den Puppen. Sie war nie mit Spielzeug verwöhnt worden. Ihre Mutter war sparsam gewesen mit Geschenken – hin und wieder ein Brettspiel oder Kleinigkeiten für das Puppenhaus, das ihr Vater ihr gebaut hatte. Catherine liebte ihr Puppenhaus und spielte mehr damit als mit allem anderen, dachte sich immer neue Geschichten für ihre große und lebhafte Puppenfamilie aus. Im Vergleich zu ihrem einsamen und abgeschiedenen Leben war das dieser Familie voll von Gefühlsdramen und Abenteuern. Sie lächelte bei dem Gedanken, welche Freude sie viele Jahre lang daran gehabt hatte. Robert und sie würden Mary ein Puppenhaus schenken, beschloss sie.
Zu Catherines Verwunderung wählte Mary kein Spielzeug oder Brettspiel aus, sondern eine kleine neuartige Sparbüchse. Es war die bemalte Metallfigur eines Jungen, der einen Hund tätschelte, und wenn man ihm eine Münze in die Hand gab, verschwand sie in dem Schlitz hinter dem Ohr des Hundes.
»Ich
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