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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Eierwärmer! All die von Odette heiß geliebten Erinnerungsstücke an ihre Eltern! Sie schnappte sich den Karton und zitterte vor Wut.
    Eine Frau, die neben ihr stand, lächelte. »Sie nehmen das alles? Ich wollte es gerade noch einmal durchsehen.«
    Odette konnte kaum sprechen vor Zorn, in ihrem Inneren kochte es. »Das gehört mir! Es ist nicht zu verkaufen!«
    »Aber Odette, all der alte Kram, den wirst du doch wirklich nicht mehr haben wollen«, trällerte Tante Harriet und kam von hinten auf sie zu.
    »Das gehört mir. Das sind meine ganz persönlichen Gegenstände, die mir sehr viel bedeuten. Wie konntest du es wagen, sie einfach zu nehmen. Und auch noch ohne mich zu fragen!«, brauste Odette auf.
    Tante Harriet lächelte unbehaglich und sah mit erhobenen Augenbrauen zu der Frau, die neben ihnen stand und mit unverhohlener Neugier zuhörte.
    Odette beachtete sie nicht. »Du hattest kein Recht dazu, Tante Harriet. Die Sachen haben meiner Mutter gehört.«
    »Meine Güte, Odette, das ist doch kein Grund, sich so aufzuregen. Es war ein Versehen.« Sie nahm Odette am Ellbogen und führte sie von der Frau weg.
    »Wie kann das ein Versehen sein, Tante Harriet, die Sachen lagen in einer Schachtel unter meinem Bett.«
    Tante Harriets Lächeln war verschwunden. »Ich habe sauber gemacht und Sachen für diese Veranstaltung gesucht. Wie sollte ich das wissen? Für mich sah es wie altes wertloses Zeug aus.«
    »Es hätte dir doch klar sein müssen. Ich hoffe, es fehlt nichts.«
    Harriet schaute in den Karton, den Odette noch immer an sich geklammert hielt. »Ich glaube nicht. Also, es ist nichts passiert, kein Schaden entstanden. Lass uns die ganze Sache vergessen.«
    Damit drehte sie sich um und entfernte sich mit raschen Schritten. Aber es war ein Schaden entstanden. In dem dünnen Gewebe ihrer Beziehung hatte sich ein Riss gebildet. Odette erkannte, wie unsentimental ihre Tante war, während Harriet Odettes Festhalten an der Vergangenheit für ungesund hielt. Und wie so oft konnte keine von beiden die Ansicht der anderen akzeptieren. Odette fand es schwierig, ihrer unbeugsamen Tante ihre Gefühle zu erklären.
    Horrie, der Fotograf, kam auf Odette zu. »Hast wohl auch ein bisschen was zusammengeklaubt, was? Ich verstehe nicht, was euch Frauen dazu bringt, auf solchen Veranstaltungen überhaupt etwas zu kaufen. Ich nehme an, das Zeug wird nächstes Jahr alles wieder gespendet.«
    »Horrie, mach noch ein Foto von den Komiteedamen beim Geldzählen oder so was. Das wär’s dann. Bis später.«
    Odette lief hinaus, verstaute den Karton im Gepäckkorb ihres Fahrrads und radelte davon, blind vor Wut. Den Kopf gesenkt, die Füße wie wild strampelnd, die Hände fest um den Lenker geklammert, fuhr sie direkt zur Schmiede auf der Suche nach Zac. Der alte Schmied saß auf einem Holzklotz vor der Tür und drehte sich eine Zigarette.
    »Morgen, Mr. Cameron. Ist Zac da?«
    Der alte Mann fuhr fort, das dünne Papier um das Häufchen Tabak zu drehen, leckte es an, drückte es fest und glättete die fertige Zigarette zwischen den Fingern. Er steckte sie in den Mund und suchte in der Tasche seiner Lederschürze nach Streichhölzern, bevor er antwortete.
    »Nee.«
    »Oh. Arbeitet er heute nicht?«
    »Nee. Ist Samstag.«
    »Wissen Sie, wo er ist?«
    Odette erwartete ein weiteres »Nee«. Aber nachdem er die Zigarette angezündet und einen tiefen Zug genommen hatte, erwiderte der alte Mann: »Am Fluss. Wollte schwimmen gehen. War hier, um zu sehen, ob es was zu tun gibt.«
    Odette lächelte ihn an. »Vielen Dank, Mr. Cameron.«
    Sie wusste, wo Zac sein würde, und radelte dorthin, ihre Wut war jetzt auf einen brennenden Schmerz zusammengeschrumpft.
    Sie fand ihn mit baumelnden Füßen am Wasser sitzend, wo er an seiner Gitarre zupfte. Er stand auf und kam auf sie zu, als sie ihr Fahrrad an einen Baum lehnte. »Du siehst bedrückt aus, Kleines.«
    »Das bin ich auch. Ach, Zac, du würdest nicht glauben, was meine Tante gemacht hat.« Odette sprudelte heraus, wie sie die geliebten Besitztümer ihrer Mutter auf dem Wohltätigkeitsbasar gefunden hatte. Sie deutete auf den Karton in ihrem Fahrradkorb. »Wenigstens habe ich sie zurückbekommen.«
    Tränen traten ihr in die Augen. Sie fühlte sich tief verletzt. Die Jahre mit Tante Harriet schienen nur eine zerbrechliche Brücke zwischen dem plötzlichen Zusammenbruch ihres liebevollen Lebens mit ihren Eltern und ihrem jetzigen Leben zu sein. Sie wischte sich die Tränen mit dem Handrücken

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