Das Drachenboot
Mühe, Bauer«, fauchte er unbeherrscht, weil es ihn selber besonders traf, wenn seine Ruderreihe ungleichmäßig zog.
Aber Sven antwortete nicht und sah auch nicht auf. Auch nicht, als Alf plötzlich das Ruder einzog, sich über die Bordkante schwang und anfing, außenbords über die Ruderschäfte zu laufen. Folke hörte die freundlichen Spottworte, von denen er begleitet wurde, und er sah zu, so gut es ging. Nicht viele Nordleute konnten von sich behaupten, daß sie das Kunststück beherrschten; auch Alf tastete noch mit den Füßen und kam nicht recht vorwärts.
»Es geht von Tag zu Tag besser«, rief Bolli gutmütig, und da wußte Folke, daß Alf regelrecht übte, und konnte ihm seine Achtung nicht versagen. Schließlich muß einer lernen, was er können will.
Aber nicht alle fanden Alfs Übung so gut wie Bolli: über Aslaks Gesicht huschte gerade, als Folke hinblickte, so etwas wie Hohn, und er rezitierte leise vor sich hin: »Daheim erwuchs in der Halle der Jarl: den Schild lernt' er schütteln...«
Der Rest verwehte im Fahrtwind. Als Alf bis nach vorn und wieder zurück gelaufen und dabei allmählich schneller geworden war, ließ er sich von seinem Nebenmann den Sax reichen, der unter seiner Ruderbank lag.
Erneut machte er sich wieder auf den Weg, warf den Sax in die Höhe, fing ihn wieder ein und achtete nicht mehr auf die Ruder. Die Männer mühten sich sehr, gleichmäßig zu schlagen, damit er nicht zu Fall kam. Nur Sven achtete auf gar nichts. Sein Schlag kam zu spät, und Alf trat fehl, rutschte ab und tauchte ins Wasser. Geistesgegenwärtig schwang er sich an der Bordwand empor, aber seinen Sax konnte er nicht mehr retten. Der sauste in die Tiefe.
Die Männer hörten auf zu rudern. Ulf sprang auf und zog Alf ins Schiff, an dem die Kleider und die Haare klebten, so daß er aussah wie ein halbgerupfter Hahn. Mit gezwungenem Lächeln erhob sich Alf und erklärte hochmütig: »Ein Mann, der umgeben ist von Stümpern, hat es nicht immer leicht. Aber ich werde mir einen neuen Sax verschaffen, den ruhmreichsten unter denen meiner gefallenen Feinde. Und da wird es manchen Mann geben, der sich hüten wird, meinen Sax Njörds Töchtern in den Schoß zu werfen!« Bard und Bolli klopften zustimmend auf ihre Ruderschäfte, und Ulf half Alf aus dem Wams. Mit einer raschen Bewegung schnitt Alf sich einen Salzbehälter, ein hübsches kleines Döschen aus Silber, vom Gürtel. Nun hätte nur noch gefehlt, dachte Folke, daß er es für die Männer in die Höhe hält. Das vermied Alf, aber er knüpfte es doch eigenhändig an Ulfs Messerscheide fest und äußerte vernehmlich: »Geirmund soll stolz auf mich sein.«
Hjalti sagte dazu nichts; Hrolf, dessen Blick Folke vorsichtig suchte, zuckte die Achseln gleichmütig. »Man braucht etwas Abwechslung nach so langer Reise«, sagte er, und dann übertönte das Knarren und Rumpeln der Ruder, die wieder ins Wasser geschoben wurden, alles weitere. Folke nickte und stellte bei sich fest, daß Alf offenbar eine kleine Gefolgschaft unter den Männern des Schiffes hatte, und diese hatte nichts mit der Wacheinteilung zu tun. Hjalti aber duldete, daß er die Autorität der Wachführer unterlief. Ganz so groß und klug wie der Gott Thor, dem er im übrigen ähnelte, konnte er wohl doch nicht sein. Endlich kam die letzte Huk in Sicht, und als sie querab war, breitete sich der Bogen des schmalen Nordendes von Erri in voller Länge vor ihnen aus. Zwischen dem hochgelegenen Land dieses Nordendes und der Steilküste der Huk gab es ein langes Stück Strand, in dessen Mitte sich die Einfahrt zu Visbyhafen befand. Auf der Höhe über dem Dorf stand eine Burganlage mit einer kleinen Wachmannschaft. Sie konnten sicher sein, daß sie beobachtet wurden, als sie den Hafen ansteuerten. Hjalti ließ mit unverminderter Kraft weiterrudern, und niemand hinderte sie. Am Strand arbeiteten einige Fischer an ihren Booten. Einer hob verstohlen den Kopf, grüßte aber nicht. Mit Überfällen mußten sie hier an den großen Schifffahrtsrouten wohl nicht rechnen, aber sie waren auch nicht überschwenglich freundlich den Kaufleuten gegenüber, die sie nicht gerufen hatten und die ihnen auch nichts einbrachten.
Das anfangs weite Noor verengte sich allmählich und wurde flacher. Hjalti blickte hin und wieder ins Wasser
neben dem »Grauen Wolf«. Die Vorschiffsleute durften ihre Ruder einziehen.
Sven knetete seine Hände, die verkrampft waren, und atmete laut, als hätte man ihm mit dem Rudern einen Schimpf
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