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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Augen die Schuld treffen würde, was auch immer mit dem Sklaven passiert ist. Und er tat zwei Dinge, die ihm das Leben und seinen Vorteil wahren: Er flieht, und er schließt mit dir einen Vertrag. Das nenne ich klug.«
    Hjalti sah seinen Wachführer ein wenig verwirrt an. »Was soll ich deiner langen Rede nun entnehmen? Meinst du etwa, daß er so klug ist, daß er uns überlistet?« Der kleine Mann, dessen Rat Hjalti in kritischen Fällen oft suchte und ihn ebensooft verwarf, schüttelte energisch den Kopf. »Ein wirklich kluger Mann versucht bei einem wirklich guten Handel den anderen nicht zu übervorteilen.«
    »Oh, Aslak«, sagte Hjalti ungeduldig. »Du bist manchmal schwer zu verstehen.«
    »Ich weiß«, gab Aslak trübe zu, »Schwerter sind immer leichter zu verstehen als Gedanken. Aber im Augenblick gehen deine eigenen Gedanken krumme Wege. Es ist ganz einfach: Ich glaube dem Kaufmann Högni. Es gibt keine schlaueren Leute als Kaufleute. Manchmal vermute ich, sie werden einmal wichtiger werden als Könige und Jarle und ihre Macht größer. All das...« Aslak deutete mit dem Arm auf den Hügel und auf die See hinaus, »hätte überhaupt keinen Sinn gehabt. Wir hätten von Anfang an Folke glauben sollen. Er ist zwar jung und ohne Erfahrung als Krieger, aber uns an Erfahrung mit Kaufleuten voraus. Es war übereilt, den Kaufmann zu beschuldigen.«
    Folke wurde es heiß vor Freude, und er sah Hjalti hoffnungsvoll an. Dieser nagte unentschlossen an seinen Lippen und bohrte mit dem Axtschaft in den Ufergrund, bis Wasser neben dem Stiel hochquoll. »Es war auch übereilt, Folke so zu kränken...« Aber Hjalti kümmerte sich um Folke nicht. »Ich«, drängte Aslak ungeduldig, »schlachte auch kein Rentier, das ich kaufen will.«
    Hjalti sah auf. »Du glaubst also, er meint es ehrlich?« Bevor Aslak antworten konnte, nestelte Aud an ihrem Hals, zog einen kleinen Lederbeutel am Band unter ihrem Kleid hervor und streifte es vom Kopf. »Högni schickt dir durch mich eine Anzahlung auf den ersten Sklaven: einen Beutel Silber. Dies soll dich für den Becher entschädigen, den ihr nicht miteinander getrunken habt, sagte er.«
    »Für Wertizlaw?« fragte Hjalti überrascht und öffnete den Beutel, um hineinzusehen. Er war zutiefst überrascht von der Wende, die sein Handel genommen hatte, und hörte kaum noch zu, als Aud ihm antwortete.
    »Für den ersten Sklaven, den er lebend erhält, hat er gesagt.« Hjalti war einverstanden. Högni hatte nicht geknausert. Er versuchte sich einhundert Teile dieser Menge vorzustellen! Er konnte es nicht. »In Ordnung«, sagte er. Die Männer, die am Vortag so schwer enttäuscht worden waren, sahen sich plötzlich und unerwartet als Sieger. Der ganze vergangene Sommer hatte jetzt endlich den Sinn erhalten, den Geirmunds und Hjaltis Planung ihm bestimmt hatten. Und nicht nur das: auch die Absprachen mit den Verwandten für den nächsten Sommer würden eingehalten werden können. Die Beute würde gut und der Anteil jedes Mannes hoch sein.
    Sie ließen die Schilde und Saxe fallen, rissen die Arme hoch und stimmten ein Freudengebrüll an, das die Menschen in Visby zittern ließ.
    Aud lächelte nicht, und als Folke, der immer noch abseits im Gras saß, sie so ernst sah, hörte er auf, sich mit den Männern zu freuen, und seine Gedanken gingen eigene Wege. Wahrscheinlich sah das kleine slawische Dorf ähnlich aus wie Visby. Frauen wie Aud würden gefangengenommen und Kinder wie ihr Sohn oder Bruder erschlagen werden. Vielleicht war es das, was Aud im Kopf herumging. Jedenfalls zog sie ihr Gewand gegen den Regen zusammen, drehte sich wortlos um und ging.
    Da niemand auf ihn achtete, sprang Folke an ihre Seite. Aud schien ein wenig überrascht, aber sie sagte nichts, als sie langsam den ersten Häusern entgegengingen. Erst als sie außer Hörweite der Schiffsleute waren, machte Folke den Mund auf.
    »Es scheint mir merkwürdig, daß ausgerechnet du die Überbringerin solcher gewichtigen Nachrichten bist«, sagte er zögernd. »Hjalti hat recht, aber ihm hast du das Rätsel nicht gelöst. Löst du es mir?«
    »Hjalti hat nicht gefragt«, stellte Aud richtig. »Ich könnte es jedem sagen, der es wissen will. In Visby allerdings wird danach nicht gefragt werden.« Sie verzog spöttisch den Mund, und Folke merkte, daß sich etwas dahinter verbarg. »Nun erzähle«, forderte er ungeduldig.
    Aud blieb stehen und sah ihn herausfordernd an. »Sie trauten sich nicht. Sie hatten Angst vor den Norwegern. Die

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