Das Drachenboot
galt.
Zusammen mit ihm standen auf dem Schotterkamm, wo vor kurzem noch zwei stattliche Zelte aufgebaut gewesen waren, Hrolf und Aslak. Hrolf überwachte von oben lässig seine Hälfte der Schiffsmannschaft.
»Ich bin dafür, die Dörfler jetzt gleich zu bestrafen«, knurrte er. »Sie sollen wissen, was passiert, wenn sie sich am Eigentum anderer vergreifen.«
Hjalti, der nun nach dem erfolgreichen Abschluß seines Geschäftes alles daran setzte, schnell nach Hause zu kommen, nickte. »Wenn mir nicht schon der Schnee von Norwegens Bergküsten in der Nase steckte, würden wir mit dem Dorf gründlich aufräumen. Aber ich traue Njörds Geduld nicht.«
Aslak hatte mit seinen Männern das Zelt abgebaut und war danach zuständig für ihren Schutz bis zum Ablegen. Er stellte Schild und Axt auf dem Boden ab, während er das Dorf und die Burg im Auge behielt. »Ich bin nicht so sicher wie ihr, daß jemand aus dem Dorf ihn erschlagen hat«, sagte er bedächtig. »Außerdem wollen wir im nächsten Jahr irgendwo die Sklaven übergeben. Warum nicht hier? Es ist ein guter Ort, viel besser als die Insel Gath. Wenn sich Högni dort auch nur um zwei Tage verspätet, haben wir Mühe, die Leute durchzufüttern. Hier aber sind wir mit zwei Wachen oben auf der Fluchtburg vor Überraschungen von See sicher. Und wir könnten notfalls tagelang warten.«
»Um so wichtiger ist es, daß die Dörfler Respekt vor uns haben«, warf Hrolf ein, dem der eine Ort so recht wie der andere war.
»Ich hatte auch daran gedacht, im nächsten Jahr wiederzukommen...«, sagte Hjalti mit einem versonnenen Blick, der das ganze Tal umfaßte.
»Nur nicht wegen der hundert, sondern wegen des einen«, unterbrach ihn Aslak. »Aber wer fragt im nächsten Jahr noch nach diesem einen?«
Hrolf hatte eine mürrische Miene aufgesetzt. Ihm paßte das alles nicht. »Soll Geirmund wegen euch als Schwächling bezeichnet werden? Es kann ja wohl nicht so lange dauern, dieses kleine Dorf abzubrennen! Bei dem Wind pflanzt sich ein Brand von Haus zu Haus fort, ohne daß wir überhaupt etwas tun.«
»Wie du meinst«, sagte Aslak ruhig. »Aber der Schwedenkönig Knuba wird Geirmund vielleicht nicht viel Freude an seinen hundert Sklaven gönnen, wenn Geirmunds Männer vorher seinen Handelsstützpunkt Visby niedergebrannt haben. Weder auf Gath noch auf Erri.« Aslak hatte, wie so oft, recht. »Wir fahren«, sagte Hjalti.
Unterdessen hatten die Männer ihre Sachen ordentlich unter den Bodenbrettern verstaut, die Schilder angebändselt und die Zeltplanen festgezurrt. Auf Hrolfs Signal hin schoben sie bereits die Ruder durch die geöffneten Pforten. Alles war klar zum Ablegen, nur die drei Anführer fehlten. In diesem Moment stand Ulf auf. »Sven ist nicht an seinem Platz«, meldete er seinem Wachführer Aslak laut. Folke konnte die Häme heraushören; Ulf war wohl immer noch nicht gut auf seinen Vordermann zu sprechen. Er selber hatte Sven schon vermißt, aber geschwiegen, weil er nicht wollte, daß jemand Gemeinsamkeiten zwischen ihm und Sven witterte. Und er hatte noch einiges gutzumachen. Aslak suchte mit den Augen das strandnahe Gebüsch ab. Sven war so unerfahren auf Schiffen, daß er es fertigbringen würde, sich ausgerechnet jetzt, kurz vor der Abfahrt, zu erleichtern. Aber weit und breit war niemand, außer einigen mageren Rindern zeigte sich überhaupt kein lebendes Wesen. Aslak steckte zwei Finger in den Mund und pfiff gellend.
»Wenn ich ein Rentier wäre«, schmunzelte Hrolf, der sich wieder beruhigt hatte, »käme ich jetzt sofort gerannt, um mich schlachten zu lassen. Oder was macht ihr mit denen?« Aslak warf ihm einen langen Blick zu. »Mit Njörd stehst du auf gutem Fuß, das weiß ich. Aber mit Thor wohl weniger. Das ist der mit den Böcken, weißt du?« Lachend wich er der kurzen Axt von Hrolf aus. Dann pfiff er ein weiteres Mal. Aber außer dem Rauschen des Windes in den Büschen und dem Wellenschlag am Ufer war nichts zu hören. Selbst die Männer im Schiff hatten ihr Schwatzen eingestellt. »Na ja«, knurrte Hjalti, »ich denke, wir werden noch nicht einmal Bußen von Sven oder seiner Sippe für sein Ausbleiben einfordern. Er war kein Mann, wie ich ihn mir an Bord meines Schiffes wünsche. Vielleicht ist es sogar ein Glücksfall, daß er nun fort ist. Aslak, du wirst seine Sachen sicherstellen und später Geirmund als Eigentum übergeben.« Damit war das letzte Wort über Sven gesprochen. Sie würden weder warten, noch nach ihm suchen. Nach den
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