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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Männer hatten Angst, sich in eine Sache einzumischen, die sie nichts angeht.«
    »Und du?«
    Das Mädchen zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Ich habe keinen Mann oder Vater oder sonst einen Verwandten, der mich schützen kann. Ob ich nun hier am Strand erschlagen werde oder in meinem Haus - wo ist da der Unterschied? Wenn ich selber mit der Botschaft ging, wußte ich doch wenigstens, daß ich das Ergebnis in der Hand hatte. Andernfalls hätte ich dem Boten vielleicht Vorwürfe gemacht. « Folke nickte. Ob seine Frau auch den Mut gehabt hätte? »Högni muß gewußt haben, daß du Hjalti überzeugen könntest. Und doch hat er dich einen ziemlich gefährlichen Weg gehen lassen.«
    »Er kannte mich ja nun ein wenig«, überlegte Aud laut. »Ich gebe keine Wortgeräusche von mir. Und Hjalti hat er wohl ganz richtig eingeschätzt.«
    Ja, Folke mußte ihr im stillen recht geben, daß Högni keinen Fehler begangen und trotzdem sich und seine Ware aus der Gefahrenzone gebracht hatte. Das Risiko hatte er Aud aufgebürdet. »Da fällt mir noch etwas ein«, sagte er hastig. »Hat Högni wirklich gekauft, was du ihm anbieten konntest?« Aud nickte froh. »Was du gesehen hast, war genauso eine Kostprobe wie euer Sklave. Ich bot ihm den Bernstein, den mein Bruder sammelt. Wir haben nun verabredet, daß ich ihm regelmäßig Bernstein nach Haithabu schicke. Wenn alles gut geht, werde ich als erstes einen verläßlichen Sklaven zu unserem Schutz kaufen können, und den hat mir Högni bereits zugesichert. Er wird sich selber darum kümmern, daß er einen ordentlichen Mann findet.« Inzwischen waren sie bei den Fischerhütten angekommen.
    Noch lagen sie still, und es war nicht zu erkennen, ob ihre Bewohner vorsorglich inzwischen auf die Burg oder in die Wälder geflohen waren. Dann aber wurde eine Tür einen Spalt weit aufgezogen, und die spitze Nase einer älteren Frau erschien in der Ritze.
    »Es ist alles in Ordnung, Astrid«, rief Aud ihr zu. Die Fischersfrau antwortete nicht, aber sie nickte so dankbar, daß Folke merkte, daß sie alle gewußt haben mußten, was auf dem Spiel stand. Und Aud stand bei ihr in hohem Ansehen, obwohl sie hier keine Sippe hatte, wie sie sagte. »Du lebst wirklich ganz allein?« fragte Folke vorsichtig. Aud nickte. Folke wartete auf eine Erklärung, aber sie dachte gar nicht daran, seine Neugier zu stillen. Nein, Wortgeräusche liebte sie nicht.
    Aus den Häusern kamen noch mehr Frauen. Sie ließen auch die Kinder wieder laufen, und das bedeutete, daß in ihren Augen die Gefahr vorbei war. Folke blieb stehen. »Ich muß jetzt wieder zurück«, sagte er. »Wenn ich nicht rechtzeitig da bin, glauben sie, daß ich mich anders besonnen habe, und fahren ohne mich ab.«
    »Gehörst du denn nicht zur Gefolgschaft von Hjalti?« fragte Aud hellhörig.
    »Nein, ich fahre mit, um festzustellen, ob norwegische Langboote wirklich so schnell sind, wie man rühmt. Ich kehre bald nach Haithabu zurück und baue dort meine eigenen Schiffe.« Seine Stimme klang so stolz, daß Aud lächeln mußte. »Sie werden sicher noch schneller als die norwegischen.« Sie sah Folke nach, der auf den Hacken kehrtgemacht hatte und zum Ufer hinunterstürmte.
    Einen Moment hatte Folke wirklich die Angst gepackt, sie könnten schon fort sein. Aber das war natürlich nicht der Fall. Jedoch waren Männer der Steuerbordwache bereits dabei, das Schiff zu wenden und seeklar zu machen, während die Backbordwache das Zelt abbaute und einpackte. Folke sprang mit einem Satz ins Wasser. Zwischen Frodi und Bolli half er im tiefen Wasser, das Heck des »Grauen Wolfes« zum Land herumzuschieben.
    Die Stimmung der Männer war jetzt wie ausgewechselt. Sie johlten und bespritzten sich mit Wasser, und als sie wieder an Land stiegen, war nicht nur Folke klatschnaß vom Kopf bis zu den Füßen. Mit Gelächter wurden sie am Strand in Empfang genommen, und weil sie nun schon naß waren, mußten sie sich auch gleich die schweren Zeltplanen auf die Schultern wuchten und an Bord hieven. Niemand ließ Folke spüren, daß er noch vor kurzem in Ungnade gefallen war, und in seiner Erleichterung vergaß Folke den Sklaven mitsamt seinem Bohrer und seinem Argwohn.
    Um so mehr Gedanken machte sich Hjalti. Es kam fast einem Angriff auf Geirmund und seine Streitmacht gleich, daß die erbärmlichen Dörfler es gewagt hatten, Hand auf das Eigentum des Königs zu legen - besonders, da dieser Ort genau an einer stark befahrenen Strecke lag und im allgemeinen als sicher

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