Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
getroffen. Simon und
Sierra würden abends zu ihnen stoßen. Getrennt natürlich. Sie war froh, dass
Markus diesmal nicht dabei sein würde, gestand sie sich mit einem kleinen
Funken schlechten Gewissens ein. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag fragte sie
sich, ob Mathias wohl auch kommen würde. Sie schenkte sich ein Glas kalten
Fencheltee ein und nahm einen kleinen Schluck. Vermutlich würde sie kein
Drachenkind gebären, sondern eine Fenchelknolle. Sie nahm einen weiteren
Schluck und warf einen Blick auf die Küchenuhr. Schon fast zwölf Uhr. Es war
noch Zeit, bis sie anfangen musste, das Essen vorzubereiten. Sie überlegte.
Wenn sie jetzt auf einen Sprung beim Pächterhäuschen vorbeischaute, konnte sie
mit diesem tollen Bedampfungsgerät, das ihr Mathias hingestellt hatte,
vielleicht noch eine Wand von den alten Tapeten befreien. Danach eine Runde
schlafen. Oder erst eine Runde schlafen. Sie jonglierte die beiden verlockenden
Möglichkeiten hin und her, bis ihre Ungeduld, ihr zukünftiges Zuhause so bald
wie möglich fertigzustellen, die Oberhand gewann. Erst arbeiten, dann schlafen,
entschied sie. Vorher musste sie die Einkäufe wegräumen.
Sierra
hatte in der Zwischenzeit ganz andere Sorgen. Sie war eigentlich ganz gut in
der Zeit gelegen, als es an der Tür geläutet hatte. Es war einer der Müllfahrer
gewesen, die jede Woche den Müll abholten. Ueli hieß er. Seit er ihr einmal
geholfen hatte, den auf dem ganzen Vorplatz verteilten Müll – eine nette
Überraschung des hofeigenen Fuchses – zusammenzulesen, grüßten sie sich
jeweils. Jetzt wollte er, dass sie sich mit ihm am Bahnhof traf, er müsse ihr
was zeigen. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was das war,
aber gut. Er hatte, während er seine Bitte vortrug, verlegen seine Kappe in den
Händen geknetet. Sie sei die einzige, die ihm auf Anhieb eingefallen sei, hatte
er gemeint. Worum es ging, wollte er partout nicht sagen. Sie zuckte mit den
Schultern. Sobald die letzten Unterstände der Pferde mit frischem Leinenstroh
eingestreut waren, würde sie sich auf den Weg machen. Als das geschafft war,
rief sie nach Joker, ihrer Australian Cattle Dog-Hündin.
„Na
Maus, kommst du mit?“
Die
Antwort waren zwei Luftsprünge inklusive einer Hundertachtziggrad-Drehung und
ein, zwei gellende Kläffer.
„Gut.
Hätten wir das geklärt.“
Joker
brachte sie immer wieder zum Schmunzeln. Sie war einfach ein witziger Hund.
Markus ging diese Gabe ab. Er fand absolut nichts witzig an dem Hund. Im
Gegenteil. Ständig hatte er etwas an ihr auszusetzen. Die Antipathie beruhte
auf Gegenseitigkeit, musste sie der Gerechtigkeit halber zugeben. Sierra
seufzte. Am besten, sie nahm sie heute Abend mit zu Kaja und Miri. Der Bahnhof
war schon in Sicht. Das Müllauto stand neben den drei Betriebscontainern. Joker
rannte voraus und begrüßte Ueli. Er war nett gewesen zu dem Hund bei der
Putzaktion damals. Nett, aber nicht aufdringlich. Als er gemerkt hatte, dass
Joker eher reserviert war und es nicht darauf anlegte, angefasst zu werden,
hatte er sie in Ruhe gelassen. Daran erinnerte sich die Hündin gut. Heute hatte
sie offenbar entschieden, Angefasst-werden sei okay und hatte sich Ueli vor die
Füße geworfen. Jetzt kniete er neben ihr und kraulte ihr den Bauch.
„Sierra“,
begrüßte er sie und blinzelte ins Gegenlicht. „Ich bin froh, dass du kommen
konntest. Hast du an dem Hund einen Persönlichkeitsaustausch vorgenommen? Sie
lässt sich plötzlich von mir streicheln.“
Sie
lachte. „Nein. Aber wenn sie merkt, dass sie nicht bedrängt wird, taut sie
auf.“
Als Ueli
keine Anstalten machte, irgendetwas zu erklären, hakte sie nach. „Was war das
jetzt, was du mir zeigen wolltest? Ich muss nämlich gleich wieder zurück.“
„Stimmt.“
Mühsam rappelte er sich hoch – sein Gewicht und sein Alter waren dabei nicht
hilfreich – und führte sie hinüber zu einem der Container. „Hörst du das?“
Sierra
lauschte angestrengt. Joker schnüffelte aufgeregt um die Container herum. Dann
blieb sie stehen, spitzte die Ohren und kratzte auffordernd über das Metall.
„Joker, still! So höre ich nichts.“
„Egal.
Wirf mal einen Blick hinein. Ich dachte erst, es seien Ratten. Aber es ist zu
groß. Wenn es ruhig ist, hört man es wimmern.“
„Es –
hast du es denn noch nicht rausgeholt?“
Er trat
unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Hätte ich schon gemacht, wenn du nicht
gekommen wärst. Aber ich habe gedacht, es sei vielleicht besser,
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