Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
wir gleich sehen. Komm mit.“
Er
folgte ihr zum Auto. „Na los, steig ein“, forderte sie ihn auf, als er keine
Anstalten dazu machte. Mit unbehaglichem Gesichtsausdruck trat er von einem
Bein aufs andere. „Hast du etwa Angst?“
„Angst?
Nein, natürlich nicht“, entrüstete er sich. „Es ist nur, ich bin noch nie in so
einem gefahren. Wie viele Pferdchen sind denn da drin?“ Er tätschelte die
Motorhaube.
„Äh
– etwas über hundert, glaube ich zumindest.“
Er
schüttelte sich. „Zwei konnten schon ganz schön schnell sein, damals. Hundert?
Ich weiß nicht, ob das sicher ist.“
„Glaub
mir, es ist sicher. Nun steig schon endlich ein. Mit hundert Pferden sind wir
wenigstens vor dem Abendbrot zurück.“
Zweifel
standen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Immerhin stieg er endlich ein.
Auf
Instruktionen zum Anschnallen verzichtete Miri. Einmal tot war er sowieso
schon. „Hier. Das musst du festhalten. Wie auch immer du das schaffst. Nicht
loslassen. Wenn wir dort sind, kann ich es tragen, und du hältst meine Hand.
Okay?“
„Wenn
du meinst...“ Er war sichtlich willig, das Experiment zu wagen. Es war ihm aber
anzusehen, dass er nicht wirklich daran glaubte.
Auf
Rücksicht darauf, dass es seine erste Autofahrt überhaupt war, fuhr Miri den
Berg ausgesprochen langsam herunter.
Als
sie zu der Stelle kam, wo normalerweise die natürliche Grenze seines
Bewegungsradius war, schloss er die Augen und machte sich auf das
unvermeidliche Ziehen gefasst. Als nichts geschah, öffnete er sie wieder und
schaute sich staunend um. „Das ist ja Wahnsinn“, rief er. Unfähig, den Blick
von der Umgebung abzuwenden, die er seit über zweihundert Jahren nicht mehr
gesehen hatte.
Miri
warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. „Alles in Ordnung mit dir?“
„Ja.
Es sieht nur alles so anders aus.“
„Klar.
So wie sich der Hof verändert hat, ist auch hier unten die Zeit nicht stehen
geblieben.“
Sie
ließ ihn in Ruhe, damit er alle Eindrücke aufnehmen und sortieren konnte. Auf
der Autobahn zuckte er ein paar Mal zusammen. Insgesamt schlug er sich jedoch
überraschend gut. Sie wollte sich nicht vorstellen, was sie für einen Aufstand
gemacht hätte, wenn sie nach zweihundert Jahren zum ersten Mal eine Autobahn
gesehen hätte.
Eine
Stunde später parkte sie das Auto vor dem Friedhof Sihlfeld in Zürich. „Wo sind
wir hier?“
„Auf
dem Friedhof, auf dem Lotti begraben liegt. Ich dachte, du wolltest dich
vielleicht gerne von ihr verabschieden. Ich kann sie dir nicht wiederbringen“,
fügte sie entschuldigend hinzu. „Aber dich hierher bringen, das konnte ich.
Wollen wir?“
Adrian
nickte stumm. Sie stiegen aus dem Auto. Miri nahm den mit Erde gefüllten
Blumentopf, garniert mit dem Stück Ziegelstein, entgegen und reichte ihm ihre
Hand. Sie wartete, bis er sie ergriff. Das funktionierte. Seine Hand fühlte
sich kühl und trocken an. Ähnlich wie ein Sandstein im Schatten. Oder altes
Pergament. „Schön ist es hier.“
„Mir
gefällt der Ort auch sehr. Die uralten majestätischen Bäume und die Blumen
laden direkt ein, hier zu verweilen. Bei meiner Recherche nach dem
Centralfriedhof habe ich allerlei Interessantes über den Friedhof
herausgefunden. Es ist die größte Parkanlage in Zürich. Nur ein Drittel davon
wird als Begräbnisplatz genutzt. Der Gedanke, die friedliche Stimmung und
soviel Natur inmitten einer Großstadt zu genießen und gleichzeitig in der Lage
zu sein, seine Ahnen zu besuchen, gefällt mir sehr. Wie ein Picknick unter
Freunden. Nicht, dass ich mich getrauen würde, hier richtig zu picknicken. Aber
ich stelle es mir sehr schön vor während des Sommers im Schatten der Bäume ein
Buch zu lesen und einen Apfel zu essen.“
Sie
merkte, dass sie plapperte. Sie war aufgeregt und besorgt zugleich. Sie hoffte,
es würde ihm helfen und ihn nicht noch trauriger machen. Diese Möglichkeit
bestand. Das hatte sie auch mit Josephine besprochen. Aber eigentlich hatte sie
ein gutes Gefühl bei der Sache gehabt. Erst jetzt, wo es unmittelbar
bevorstand, wurde sie unsicher.
„Wieso
denn“, wollte Maxi telepathisch wissen. „Stell dich nicht immer in Frage! Glaub
an dich, ich tu es auch.“
Solchermaßen
unterstützt straffte Miri die Schultern und atmete tief durch. Sie sah sich um
und versuchte, sich zu orientieren. „Dort drüben unter der großen Eiche muss es
sein. Ich würde dir gerne ein wenig Privatsphäre gönnen. Aber ich weiß nicht
wie, ohne dass du Flugs wieder zurück
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