Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
Gläschen. Ich muss sagen, ich bin sehr erfreut, einmal
die Bekanntschaft eines weiblichen Drachen zu machen.“ Sie stellte ein Glas vor
Maxi hin und füllte es bis zum Rand, wie diese erfreut bemerkte.
Sie
strahlte und ließ ihre scharfen Zähne aufblitzen. „Vielen Dank.“
Mémé
folgte ihrem Beispiel. Nach einem kräftigen Schluck setzte sie das Glas ab.
„So. Was ist denn nun los mit dem Kind?“
In
kurzen Sätzen schilderte die Drachin ihrer interessierten Zuhörerin die
Geschehnisse der letzten Monate. Geduldig hörte sie ihr zu. Ihre Miene
spiegelte dabei ihre Gedanken. Besorgt, als die wiederholten Drohbriefe erwähnt
wurden. Freude über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Kaja und die
Fertigstellung des Häuschens. Kopfschütteln über das unbesonnene und idiotische
Verhalten von Mathias.
„Männer“,
schnaubte sie. „Und jetzt versucht er, den Schaden wieder gut zu machen.“
„Genau.
Deshalb ist Miri so verwirrt. Sie hat sowieso schon so viele schlechte
Erfahrungen mit dem Thema Familie gemacht. Im Moment traut sie dem Konzept
nicht weiter als sie spucken kann. Was nicht sehr weit ist“, erklärte die
Drachin. Violette Funken stieben aus ihren Nasenlöchern.
Mémé
seufzte. „Familienbande. Leider können wir uns unsere biologische Herkunft
nicht aussuchen. Davon kann auch Kaja ein Lied singen. Die Chance bekommen,
seine Wurzeln kennenzulernen, sollte man trotzdem.“ Die beiden verfielen in ein
freundschaftliches Schweigen. „Na ja. Ich denke, sie braucht vor allem einmal
Zeit, in der sie all das Erlebte verarbeiten kann. So wie sich das anhört, ist
sie vor lauter Aufregung und Arbeit bisher noch nicht dazu gekommen.“
Maxi
pflichtete ihr bei. „Deshalb schlage ich vor, wir geben ihr die Dinge, welche
sie am meisten braucht. Ruhe, Zeit zum Nachdenken und Gesellschaft, wenn sie es
wünscht.“
Sie
blieben noch ein Weilchen bei einander sitzen. Kurz bevor Josephine der Drachin
gute Nacht wünschte, fiel ihr noch etwas ein. „Der Anhänger um Miris Hals: Was
hat es damit auf sich?“
„Das
ist ein Drachenstein.“
Amüsiert
lächelte die alte Frau. „Das sehe ich selber. Nur, wozu ist er gedacht?“
Maxis
Antwort fiel ausweichend aus. „Drachensteine sind Schutzsteine. Ein
Weihnachtsgeschenk von Lance und mir für Miri und ihr ungeborenes Kind.“
„Aha.“
Sie war sich ziemlich sicher, dass es mehr damit auf sich hatte. Ebenso klar
war ihr, dass sie in diesem Moment keine weiteren Details aus der Drachin
herausbekommen würde. Nicht dass das eine Rolle spielte. Sie hatte andere
Mittel und Wege Antworten zu finden.
Die
nächsten Tage verbrachte Miri in einem gemächlichen Rhythmus. Sie schlief
ungefähr bis neun Uhr. Dann stand sie auf und ging nach unten, wo sie sich ein
Stück von dem frischen Baguette, welches der Bäcker jeden Morgen in seinem
kleinen Renault Kangoo vorbeibrachte, dick mit Nutella bestrich. Dazu genoss
sie eine Tasse des warmen Kräutertees, den Mémé immer fürsorglich für sie
bereitstellte. Während sie frühstückte, versuchte sie aus der französischen
Zeitung schlau zu werden. Diese war zwar meistens vom Vortag, doch das spielte
für sie keine Rolle. Später zog sie sich an und unternahm lange Spaziergänge
durch die benachbarten Rebberge. Sie liebte diese Ausflüge, bei denen sie das
langsame Erwachen der Natur um sich herum beobachten konnte. Eigentlich hatte
sie vorgehabt, an ihren Entwürfen zu arbeiten und Josephine möglichst viel zur
Hand zu gehen. Aber in der Ruhe und Abgeschiedenheit hier merkte sie zum ersten
Mal, wie viel Energie sie die vergangenen Monate gekostet hatten. Mémé und Maxi
ließen sie in Ruhe. Dafür war sie dankbar.
28.
März 2013
Im
Nu waren zwei Wochen vergangen. Als sie nach einem kurzen Regenguss, den sie im
Haus abgewartet hatte, aus dem Haus trat, atmete sie tief ein. Am Himmel jagten
sich ein paar zurückgebliebene Wolken. Es wehte ein sehr starker Wind. Nicht
untypisch für diese Region. Sie wickelte sich enger in ihre dicke Strickjacke.
Der Duft der feuchten, lehmhaltigen Erde der Weinberge hing schwer in der Luft,
während die Märzsonne, die in dieser Region bereits ziemlich kräftig war, die
Umgebung erwärmte. Kurz überlegte sie, sich auf die kleine Holzbank, die vor dem
Haus stand, in die Sonne zu setzen, entschied sich dann aber dagegen. Der
Spaziergang würde ihr gut tun. Sie hatte sich vorgenommen, sich heute nicht nur
treiben zu lassen und ihren Gedanken nachzuhängen, sondern einige
Entscheidungen
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