Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
nicht der Fall war, sagte sich Miri stur. „Lieb von dir.
Aber ich denke wirklich, das wäre übertrieben. Lass ihn einfach hier, ich
entsorge ihn mit dem Altpapier.“
Kaja
musterte ihre Freundin, die immer noch besorgniserregend blass aussah. Ihre
Augen funkelten aber entschlossen und sie hatte einen störrischen Zug um den
Mund. Sie sah ein, dass sie so nicht weiterkommen würde. „Na gut. Wenn du dir
nicht helfen lassen willst, ist das deine Sache. Aber versprich mir, den Brief
wenigstens aufzubewahren. Du weißt nie, ob er irgendwann ein wichtiges
Beweismittel sein wird.“
Widerstrebend
nickte Miri. Das konnte sie machen. Wenn Kaja dann Ruhe gab.
„Das
ist nicht besonders nett“, erklang Maxis Stimme in ihrem Kopf. „Miri zuckte
zusammen, erwiderte aber auf telepathischem Weg bockig: „Ich habe momentan
keine freien Kapazitäten für nett.“
„Sich
helfen lassen würde Kapazitäten freigeben“, merkte der Drache an. Resolut
sperrte Miri das sich einmischende Drachentier aus ihren Gedanken aus. So, ging
doch, dachte sie, als endlich Ruhe in ihrem Gehirn einkehrte.
„Ich
muss langsam los“, meinte Kaja gerade zögerlich. Sie war sich nicht sicher, ob
es eine gute Idee war, Miri mit dem ganzen Chaos alleine zu lassen.
„Mach
dir keinen Kopf, im Moment hört sie sowieso nicht auf dich.“
Überrascht
hob Kaja den Kopf. Das war Lance‘ Stimme gewesen. Was machte denn der hier?
„Nicht
so auffällig“, meldete sich ihr Drache, der ihre Überraschung spürte, nochmals.
„Ich warte draußen auf dich.“
Gut,
anscheinend gab es für sie momentan hier nichts mehr zu tun. Sie wandte sich an
Miri: „Kommst du Samstag in einer Woche wieder vorbei? Mittagessen?“
Miri,
die nichts von Lance‘ Anwesenheit mitbekommen hatte, war froh, dass Kaja nicht
mehr auf dem Thema Brief rumritt. „Gerne. Darf Maxi mitkommen? Dann kann ich
sie auch Sierra vorstellen, falls sie da ist.“ Maxi wirkte erfreut.
„Klar.
Je mehr desto besser“, meinte sie mit einem Augenzwinkern und umarmte ihre
Freundin zum Abschied, bevor sie sich ihrem Hund zuwandte. „Komm, Kleiner. Wir
gehen nach Hause.“ Zorro schien auf dieses Stichwort gewartet zu haben und
sprang begeistert voraus, um wedelnd vor der Tür zu warten.
Als
die beiden gegangen waren, ließ sich Miri erschöpft zurück in ihr Kissen
fallen. Eine Achterbahnfahrt war ein Dreck gegen die Zustände in ihrem Leben.
„Praktizierst
du gerade die Vogel-Strauß-Taktik?“ Miri beschloss klugerweise, nicht auf diese
Frage zu antworten. Stattdessen wählte sie auf ihrem iPod Musik aus. Flashdance .
Maxi ließ sich von ihrem mangelnden Interesse nicht beeindrucken. „Ich kann dir
nämlich aus eigener Erfahrung sagen, sie funktioniert nicht.“ Miri zog sich das
Kissen über den Kopf und schob sich die Kopfhörer in die Ohren. Da gab sich
auch die erfahrene Drachendame geschlagen. „Gut, wie du willst. Dann eben
nicht. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“
Kapitel 9
07. Dezember
2012
Die
Tage vergingen erstaunlich schnell. In kürzester Zeit hatte Miri einen Rhythmus
für sich entwickelt, auch ohne dass sie zu einer bestimmten Zeit an einem
bestimmten Ort sein musste. Am Morgen brach sie mit Maxi im Schlepptau jeweils
zu einem langen Spaziergang auf. Sie hatte herausgefunden, dass sie um diese
Tageszeit weniger Kinderwagen begegnete, was ihr lieber war. Obwohl Maxi ihr
konstant in den Ohren lag, die Vogel-Strauß-Taktik aufzugeben, konnte sie sich
einfach nicht überwinden, sich mit dem doch eigentlich dringlichen Thema
auseinanderzusetzen. Jedes Mal, wenn sie einen neuen, zugegebenermaßen
halbherzigen, Versuch startete, fiel sie in eine Art Starre, körperlich wie
mental. Ihr Hirn war dann nur noch eine weiße Fläche und produzierte keinen
einzigen brauchbaren Gedanken. Das einzige aktive war in diesen Momenten ihr
Stoffwechsel, der ihr auf der Stelle Schweißausbrüche bescherte. So versuchte
sie es die meiste Zeit gar nicht erst und konzentrierte sich auf ihre
beruflichen Möglichkeiten. Ihre Kreativität wenigstens schien nicht unter dem
Stress zu leiden. Im Gegenteil. Ihren Ideen und deren Umsetzung schienen im
Moment keine Grenzen gesetzt zu sein. Die mit Prägefolie verzierten
Plastilindrachen waren fertig. Sie hatte bereits Fotos gemacht und per Mail an
Kaja geschickt. In Kürze würden sie auf Kajas Homepage zu finden sein und Miri
hoffte sehr, dass sich bald erste Interessenten melden würden, denn ihre
finanziellen Ressourcen schwanden
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