Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
merkte aber im gleichen Moment, dass sie es
tatsächlich vorzog, wenn Sierra jetzt ging, und sagte nichts. Sie bückte sich,
um Joker über das seidige Fell zu streichen, was gar nicht so einfach war.
Während Sierra sich in ihre diversen Kleidungsschichten hüllte, hüpfte die
Hündin mit allen vier Beinen in die Luft und drehte sich dabei noch um 180 Grad.
Die beiden Frauen drückten sich stumm. Nicht feindselig, aber beide hatten das
Gefühl, es sei besser, für den Augenblick auf weitere Worte zu verzichten.
Kaja
und Zorro blickten dem Auto nach, das durch die gewundene Ausfahrt ihren Hof
verließ. „Du fragst dich sicher auch, was dieses kurze Vergnügen und all die
Aufregung sollte, was Kleiner?“ Sie knuddelte ihn kurz und kehrte ins Haus
zurück.
Das
war ja Drama pur, inklusive Tränen und Geschrei, stellte der unbemerkte Gast
vergnügt fest. Anfangs hatte er noch befürchtet, vor lauter Liebe und
Freundlichkeit einzuschlafen. Da bestand nun definitiv keine Gefahr mehr. Blieb
nur zu hoffen, dass alle Hauptakteure bald wieder vollzählig hier erscheinen
würden. Zweimal wöchentlich wäre ganz nett, dachte er. Als Abendunterhaltung
sozusagen. Er seufzte. Wobei es natürlich keine Rolle spielte, ob die
Veranstaltung abends oder morgens stattfand. Er war ja sowieso immer hier.
Hauptsache Abwechslung.
Nachdem
Miri zum zweiten Mal beinahe über den Rand der Kurve geschlittert war, weil sie
erstens zu schnell fuhr und zweitens dank der Tränenflut, die ihr aus den Augen
strömte, praktisch blind unterwegs war, hielt Maxi das Auto an und bugsierte
Miri auf den Beifahrersitz. Das schien sie wenigstens für einen kurzen
Augenblick aus ihrem dunklen Loch zu reißen, in dem sie sich gefühlsmäßig
gerade befand. Entgeistert blickte sie ihren Drachen an.
„Du
willst jetzt nicht im Ernst Auto fahren, oder?“
„Wieso
denn nicht?“
Miri
fielen so viele Gründe die dagegen sprachen auf einmal ein, dass sie Mühe
hatte, sich zu entscheiden, welchen sie denn als erstes erwähnen sollte.
„Kannst du denn überhaupt ein Auto fahren? Eines mit Schaltgetriebe noch dazu?“
Amüsiert
blinzelte ihr Maxi zu. „Ein Pferd oder Fünfundneunzig – so groß wird der
Unterschied schon nicht sein. Außerdem habe ich dir doch vorher zugeschaut.“
„Zugeschaut“,
echote Miri in Ermangelung einer adäquaten Erwiderung und wischte sich die
Tränen am Ärmel ab.
„Nun
entspann dich mal und warte es erst einmal ab.“ Sie legte den ersten Gang ein
und fuhr mit einem kleinen Ruck los.
Miri
klammerte sich am Armaturenbrett fest. „Entspannen?“, quietschte sie. „Bis ich
mich entspannt habe, ist es schon längst zu spät und wir liegen im nächsten
Graben.“
„In
Anbetracht dessen, dass du genau das bei den letzten beiden Kurven nur knapp
vermieden hast, nimmst du den Mund ganz schön voll, junge Lady.“
„Ich
mach jetzt einfach die Augen zu. Gib Bescheid, wenn wir zu Hause sind. Und nur
das du es weißt: Strafzettel übernehme ich nicht!“
Neben
ihr begann Maxi ein Lied zu pfeifen. Dramaqueen , nänänänänänäänä Dramaqueen…
Schlagartig
öffnete Miri ihre Augen wieder. „He, ist das etwas auf mich gemünzt?“,
erkundigte sie sich misstrauisch.
Demonstrativ
sah sich der Drache in dem kleinen Auto um und drehte sich sogar deutlich zur
Rückbank hin um. „Sonst ist keiner da. Kannst du jemanden entdecken?“, fragte
sie mit gespielter Ernsthaftigkeit.
„Würdest
du bitte den Blick nach vorne auf die Straße richten? Meine Nerven quittieren
sonst auf der Stelle ihren Dienst“, rief Miri erschrocken aus.
„Krieg
dich wieder ein. Wir Drachen haben sehr schnelle Reflexe, das weißt du doch.
Und ja, natürlich warst du gemeint. Wer denn sonst? Ich habe schließlich kein
Drama gemacht.“
„Ich
auch nicht“, empörte sie sich. Nach ungefähr einer Minute, während der Maxi
schweigend abwartete und weiter fuhr, fügte sie hinzu: „Okay, vielleicht habe
ich mich ein wenig mitreißen lassen.“ Endlich warf ihr der Drache einen Blick
zu. „Soll ich mich jetzt besser fühlen? Ich dachte eigentlich, du stehst auf
meiner Seite!“
„Klar,
immer. Das weißt du doch!“
„Es
fühlt sich im Moment aber nicht danach an“, antwortete sie verschnupft. „Sierra
war ganz schön gemein. Und ich dachte sie wäre meine Freundin. Kaja war mir
auch keine Hilfe… So wie es aussieht, habe ich bald definitiv keine Familie
mehr. Weder Bluts- noch Wahlfamilie.“
Maxi
fing auf der Stelle wieder an zu pfeifen.
Weitere Kostenlose Bücher