Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
zu wünschen?« Sie deutete durch das Fenster des Turms über den Hof zum Palas hinüber. »Dort drüben liegt mein Sohn in seiner Wiege, ein Kind der Schmerzen und der Schande, die der Narbige über mich gebracht hat.«
Der Zorn wich aus Toms Gesicht, und es wurde weich, wie Lamina es aus der Zeit ihrer tiefsten Not kannte, als er und Tara sie aus der Finsternis ihrer Seele befreit und ins Leben zurückgeführt hatten.
»Ja, das Recht hast du, und ich werde dir nicht zürnen, wenn du auch mich für die Taten des Narbigen büßen lässt.«
»Das will ich doch gar nicht!«, rief sie. »Und ich will auch nicht, dass du für deine Seeräuberei gehängt wirst. Es ist mir egal, was du noch mit deinem Leben vorhast. Ich bin gekommen, um dich um einen Gefallen zu bitten.«
»Du willst mich um einen Gefallen bitten?«, wiederholte Tom erstaunt. »Ich denke, ich bin nicht in der Lage, in der man mich bitten muss. Du kannst befehlen und über mich richten.«
Lamina schüttelte den Kopf. »Nein, ich muss dich fragen, ob du bereit bist, dieses Wagnis einzugehen, und dann muss ich dich schwören lassen, mich und meine Mission mit deinem Leben zu verteidigen. So etwas kann man weder befehlen noch erzwingen.«
Tom straffte den Rücken. Aufrecht stand er vor ihr und sah sie aufmerksam an.
»Nun hast du mich neugierig gemacht. Erzähl mir von dieser Mission und der Rolle, die du mir dabei zugedacht hast.«
Lamina zog einen Zettel mit vier Zahlen aus ihrer Rocktasche und reichte ihn Tom. Dann begann sie zu berichten. Toms Augen weiteten sich.
»Du treibst deine Scherze mit mir«, sagte er, als er seine Stimme wiederfand.
Die Gräfin schüttelte den Kopf. »Nein, noch nie war mir etwas so ernst. Wenn du mir nicht hilfst, muss ich einen anderen Weg finden. Aber wenn du deinen Teil erfüllst und mit dem Leben davonkommst, kannst du danach tun, was immer du willst.«
»Und mein Steuermann?«, fragte Tom vorsichtig.
Lamina lächelte. »Den wirst du ja wohl brauchen, nicht wahr?«
Tom lächelte zurück, sank auf ein Knie und ergriff Laminas Hände.
»Ich schwöre, ich werde all mein Wissen und meine Kräfte einbringen, dass deine Mission ihr Ziel erreicht. Und wenn es nötig ist, werde ich dich mit meinem Leben beschützen.«
»Ich danke dir, mein Freund.«
*
»Was willst du tun?«
Der Elb war nicht leicht aus der Fassung zu bringen. Sein Volk war bekannt für seine unerschütterliche Gelassenheit, doch in diesem Moment drängte das menschliche Erbe seiner Großmutter an die Oberfläche.
»Hast du nicht selbst gesagt, Astorin sei das Schlimmste, was durch die Welten wandelt, und jeder solle alles daransetzen, ihm Einhalt zu gebieten?«
»Ja, schon, aber ich dachte dabei nicht an dich.«
Sie ignorierte seinen Einwand. »Und deshalb muss Rolana alle erdenkliche Hilfe bekommen. Vielleicht neigt sich die Waage dadurch auf unsere Seite!«
»Aber es ist Wahnsinn, was du vorhast! Lass mich eine Lösung suchen. Ich werde mich aufmachen und unsere Freunde suchen.«
Lamina stand hoch aufgerichtet vor ihm und funkelte ihn an. »Du musst nach keiner Lösung suchen, denn ich habe sie bereits gefunden. Mein Plan steht fest. Ich habe Tom in seiner Gefängniszelle aufgesucht, und er ist einverstanden.«
»Womit?« Nun wurde Seradir abwechselnd rot und blass.
»Er wird mich mit seinem Schiff zu den Koordinaten bringen, die der Magier im Spiegel genannt hat. Dort werden wir bleiben, bis Rolana und die anderen eintreffen, und sie vor dem See und den Fallen um die goldene Figur warnen. Denn wenn wir ihrer Spur folgen, werden wir sie vermutlich nicht rechtzeitig einholen.«
»Du willst mit einem Piraten reisen, der dich einst entführt und missbraucht hat? Bist du völlig verrückt?«, rief Seradir aus.
»Er hat mich weder entführt noch missbraucht«, entgegnete Lamina leise. »Das war der Narbige, den ich für diese Tat getötet habe. Tom ist ein anständiger Mann.«
»Dann bleib hier und lass mich mit ihm fahren!«
»Nein!« Ihre Blicke trafen sich, und keiner war bereit nachzugeben. Verbissen starrten sie sich an, bis Seradirs Mundwinkel sich zu einem Lächeln hoben.
»Du bist eine außergewöhnliche Frau!« Er legte die Hand an die Brust und verbeugte sich. »Ich bewundere deine Stärke und deinen Mut – und deine Sturheit, die mich in den Wahnsinn treibt. Dennoch bitte ich dich: Lass mich an deiner Seite bleiben. Wir wissen nicht, was dich auf dieser Fahrt erwartet.«
Ein Strahlen glitt über ihr Gesicht. »Gerne, mein
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