Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
eintrat. Dann folgte sie Ibis die Treppe hinauf, wo Lahryn und Thunin einem alten Weib gegenüberstanden, das breitbeinig an einer geschlossenen Tür lehnte, die Arme vor dem Leib verschränkt.
»Hier kommt ihr nicht rein«, schnarrte sie. »Dafür müsst ihr mich schon töten.«
»Na und?«, brummte Thunin und hielt ihr die blutbeschmierte Axt unter die Nase.
»Dann wird auch er sterben«, sagte sie kalt und nickte in Richtung der geschlossenen Tür. »Ihr werdet nie herausfinden, welches Gegengift er braucht. Sein Gehirn wird sich allmählich auflösen, bis er unter Qualen stirbt.« Sie lachte gehässig.
Rolana trat mit leisen Schritten heran. »Lass uns hinein, gute Frau. Du wirst doch einsehen, dass es nicht gut ist, einen Menschen in solch einem Zustand ewig leiden zu lassen! Komm mit uns herein und zeig uns, wie wir ihn heilen können.«
Selbst Lahryn und der Zwerg mussten sich schütteln, um die eindringlichen Worte abzuwehren, die sich sanft und doch so hartnäckig um ihren Geist schmiegten. Die Alte dagegen lachte schrill.
»Vergiss es, mein Täubchen, gegen solche Angriffe habe ich mich längst gewappnet. Unterschätz mich nicht!«
»Jetzt habe ich aber genug«, schimpfte der Zwerg und trat näher.
Sie streckte ihm ihre Hände wie Krallen entgegen und zeigte ihre spitz zugefeilten Fingernägel, die mit einer schwärzlichen Paste beschmiert waren. »Ja, komm nur her. Ein einziger Kratzer auf deiner Haut, und du wirst einen qualvollen Tod sterben.«
Thunin warf Rolana einen fragenden Blick zu, doch diese konnte nur mit den Schultern zucken. Möglich war es schon. Beide zögerten, bis Lahryn sie mit barscher Stimme zur Seite schickte. Noch ehe die Alte seine Absicht durchschaute, traf sie der Energiestrahl in die Brust, und sie sackte lautlos zusammen.
»Hast du sie getötet?« Rolana stürzte zu der Frau und ließ sich neben ihr auf den Boden fallen.
»Ich hoffe doch nicht«, rief der Magier. »Ich wollte sie nur für ein paar Minuten außer Gefecht setzen.«
»Ja, sie lebt noch«, bestätigte Rolana erleichtert. »Thunin, fessle sie und sieh zu, dass du das Zeug von ihren Nägeln herunterbekommst. Wir wollen weder Gefahr laufen, von ihr vergiftet zu werden, noch wollen wir ihr die Gelegenheit geben, es selbst zu tun.«
Thunin sah die Alte unsicher an. »Hilfst du mir, Ibis?«
»Mit Vergnügen!«, sagte sie grimmig und zog ein kleines, scharfes Messer hervor. Nicht allzu zart schnitt sie die Nägel ab und säuberte die Fingerkuppen mit einem groben Tuch.
»Bitte, sie ist angerichtet! « Die Elbe grinste und sah ungerührt zu, wie Thunin sie zu einem Paket verschnürte.
Rolana trat in die kleine Kammer und fand einen Mann mit geschlossenen Augen auf einem Lager. Abgemagert sah er aus. Die Haut war wächsern und kalt. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Hätte sein Brustkorb sich nicht zitternd gehoben und gesenkt, sie hätte gedacht, am Lager eines Toten zu stehen.
»Ist er das?«, fragte sie Gynor, der ins Zimmer trat. Der Zwerg nickte.
»Ferule, einst der mächtigste Mann Ehniports, und nun nur noch ein sterbendes Wrack, oder etwa nicht?«
Rolana sah unsicher zu dem Magier auf. »Was meinst du? Soll ich es mit meinen Kräften versuchen, oder wollen wir die alte Frau befragen, wenn sie aus ihrer Ohnmacht erwacht? Ich habe schon Brüche und schlimme Wunden geheilt und Menschen, die dem Tode nahe waren, zurückgeholt, doch wer weiß, was für ein teuflisches Gift sie verwendet hat.«
»Sie ist schon wieder wach und hat Verwünschungen ausgespuckt, bis Ibis ihr einen Knebel verpasst hat.« Lahryn seufzte. »Wenn deine überzeugenden Worte bei ihr versagen, dann haben wir wohl nicht viele Möglichkeiten. Einen Wahrheitstrank habe ich nicht dabei. Ich fürchte, es wird für Ferule zu spät sein, bis wir uns einen besorgen können.«
»Und freiwillig wird sie uns nichts sagen«, ergänzte Rolana und sah den Mann auf seinem Lager an.
Lahryn legte ihr die Hand auf die Schulter. »Du darfst nicht zweifeln. Es ist eine Gottheit, die dir Kraft gibt. Spielt es da eine Rolle, ob es ein Schwert war oder Gift? Wenn Soma mit dir ist, wirst du Erfolg haben.«
»Vermutlich hast du Recht.« Sie setzte sich zu Ferule auf sein Lager. Zögernd hielt sie die Hände über seinen Körper. Wo sollte die Kraft ansetzen? Bei Verletzungen und Brüchen war es einfach, da musste die Energie das zerstörte Gewebe zusammenfügen. Aber hier? Sie entschied sich, ihm eine Hand auf die Stirn zu legen und eine auf den Leib.
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