Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
leichtfertig Leben in Gefahr bringen.«
Sie sah, dass er noch immer mit sich kämpfte, aber er nahm ihre Entscheidung schließlich an, nickte knapp und strich ihr zum Abschied mit den Fingerspitzen über den Arm.
»Auf bald, mein Freund«, flüsterte sie.
Die Gräfin straffte die Schultern und folgte ihrem Verwalter zum Burggraben, wo die Männer des Herzogs mit dem Boot auf sie warteten. Thomas folgte ihr, die Hand an seinem Schwertgriff.
*
Lamina wusste nicht, was sie erwartet hatte, doch sicher keinen blendend aussehenden Mann von dreißig Jahren mit angenehmer Stimme und formvollendeten Manieren. Er war modisch in eine seidene Kniehose gekleidet, sein Hemd mit Rüschen besetzt und die Weste reichlich bestickt.
Herzog von Ingerstein empfing die Gräfin in ihrem Speisezimmer. Als Cordon sie meldete, kam er auf sie zugeeilt, verbeugte sich tief und küsste ihre Hand. Er ließ Cordon von einem seiner Männer wegführen. Um ihn wieder einzusperren? Lamina unterdrückte die Frage. Sie war kein guter Einstieg für Verhandlungen. Sie würde zuerst ihren Charme einzusetzen versuchen. Vielleicht war er dafür empfänglich.
»Liebste Cousine – es ist Euch doch recht, wenn ich Euch so nenne, nicht wahr? Auch wenn es Euer Gemahl war, auf dessen Linie sich unsere Verwandtschaft gründet.«
Falls sie sich aufgrund seiner Höflichkeit eingebildet hatte, er wäre ein harmloser Gegner, so musste sie sehr schnell feststellen, dass dieser Eindruck täuschte. Er war höflich zu ihr, wie es der Anstand in ihren Kreisen gebot, doch er würde nichts von dem freiwillig herausgeben, was er – seiner Meinung nach rechtmäßig – an sich gebracht hatte.
»Kommt, setzt Euch. Soll ich Wein und einen Imbiss auftragen lassen? Ist es Euch kühl? Ich lasse ein Feuer anzünden.«
Er war der perfekte Gastgeber, der Burg Theron offensichtlich bereits für sein Eigentum hielt. Lamina biss die Zähne aufeinander, um ihn nicht scharf zurechtzuweisen.
Es war sicher nicht klug, ihn jetzt schon herauszufordern. So lehnte sie seine Vorschläge so höflich ab, wie es ihr möglich war. Er wartete, bis sie sich gesetzt hatte, und zog sich dann ebenfalls einen Stuhl heran. Elegant schlug er die bestrumpften Beine übereinander. Lamina wurde unangenehm bewusst, wie unpassend ihr Aufzug wirkte: das schmutzige Reitkleid, die warme Lederweste und die schlammbespritzten Stiefel. Vielleicht gerade deshalb fragte sie forsch:
»Ist es bei Euch im Süden üblich, auf diese Weise sein Gastrecht zu fordern? Dann muss ich sagen, habt Ihr merkwürdige Bräuche. Ich versichere Euch, Vetter, bei uns ist es nicht notwendig, so gewalttätig vorzugehen und seine Gastgeber einzusperren!«
Der Herzog lachte. »Cousine, Ihr habt einen wundervollen Humor. Wir werden prächtig miteinander auskommen! Doch zuerst müssen wir ein paar ernste Dinge klären. Ich komme natürlich nicht als Gast, was Euch wohl bewusst ist, sondern um mein rechtmäßiges Erbe zu fordern! Da Eure Leute nicht bereit waren, mir Treue und Gehorsam zu schwören, blieb mir nichts anderes übrig, als sie in den Turm zu schließen.« Er hob entschuldigend die Hände. »Es wurde nicht mehr Gewalt angewendet als nötig. Nur Euer zweiter Hauptmann wollte sich gar nicht in sein Schicksal fügen.« In diesem Moment öffnete sich die Tür und ein ihr unbekannter Diener trat mit einem Tablett in den Händen ein. Er verteilte Becher und zwei Krüge und stellte einige Teller mit kleinen Köstlichkeiten zwischen sie. Dann verbeugte er sich und verließ das Zimmer wieder.
»Was ist mit Berlon geschehen?«, verlangte Lamina zu wissen, als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.
»Nun, er wollte sich seine Waffe nicht nehmen lassen, und da wurde er von einem meiner Männer an der Schulter verletzt. Ihn und ein paar andere Wächter musste ich leider in den Gefängniszellen an die Wand schließen lassen. Eure anderen Bediensteten und die Kinder sind in den Turmzimmern untergebracht. Eure Burgleute sind wirklich starrsinnig – oder außergewöhnlich loyal.«
Lamina krallte ihre Finger in das Stuhlkissen. Wie konnte er es nur wagen!
Noch ehe sie ihm ihre Wut ins Gesicht schleudern konnte, wurde an die Tür geklopft. Der Herzog runzelte die Stirn, forderte jedoch auf einzutreten.
»Herzog von Ingerstein, verzeiht mir, dass ich störe, doch ich dachte, es wäre vielleicht für alle von Vorteil, wenn ich bei Eurem Gespräch mit der verehrten Gräfin anwesend sei.«
»Ach, Ihr seid es, Vlaros«, sagte der
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