Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Dolch auf einem Kissen. An der hinteren Wand standen zwei einfache Sarkophage aus Granit mit kaum mehr zu entziffernden Gravuren. Astorin murmelte einen Spruch, um die schweren Deckel zur Seite zu schieben, doch außer Staub und ein paar Knochen fanden sie nichts darin. Der Magier hob die Schultern.
»Dann gehen wir eben in die Halle zurück und sehen nach, ob du dieses Mal den richtigen Weg findest. Ich kann es nur hoffen. Für allzu viele Fehlschläge haben wir keine Zeit mehr!«
Tonya biss die Zähne aufeinander und nickte nur. Sie gingen im Licht der magischen Kugel zurück in die Haupthalle und dann durch den Bogen, unter dem sie die Fährte ebenfalls gespürt hatte. Der Gang weitete sich zu einer achteckigen Halle, zwischen deren Säulen lebensgroße Statuen standen, die eine gewisse Familienähnlichkeit mit dem Grafen von Draka aufwiesen. Dann durchquerten sie einen Vorraum und standen schließlich vor einer reich mit Schnitzereien verzierten Ebenholztür.
»Dahinter liegt seine Gruft«, hauchte Tonya. Zaghaft umschloss sie den Knauf, aber die Flügel rührten sich nicht. Dabei schien die Tür weder abgeschlossen noch mit einem Riegel von innen versperrt zu sein.
»Aus dem Weg!«
Der Wolf jaulte, wich aber mit Tonya zusammen zurück, als sich eine blaue Energiekugel auf der Handfläche des Magiers zu bilden begann. Er schleuderte sie gegen die wertvolle Tür. Die Explosion erschütterte das unterirdische Labyrinth. Steinsplitter regneten von der Decke. Eine Staubwolke ließ Tonya husten. Noch ehe die Sicht wieder aufklarte, stürmte der Magier schon in die kreisrunde Gruft, in deren Mitte der Steinsarg auf einem roten Marmorpodest ruhte. Astorin lief die beiden Stufen hinauf und blieb dann neben dem Sarkophag stehen. Im Gegensatz zu Tonya, die bewundernd an den Figuren und Waffen an der Wand vorbeischritt, gönnte Astorin der Pracht ringsum keinen Blick. Er reckte die Finger und verschob dann die Steinplatte, die trotz ihres Gewichts mühelos zur Seite glitt. Der Wolf heulte und sprang auf das Podest. Tonya lief ihm nach und grub ihre Finger in sein Nackenfell.
»Bleib hier bei mir«, beschwor sie ihn. Der Wolf senkte seine geschwärzte Schnauze auf die bleiche Hand herab, die im Innern am Rand des Sarges lag. Tonya hob den Blick, um den Grafen zu betrachten. Seine feinen Gesichtszüge waren alterslos, die weiße Haut fast durchscheinend. Kein Atem hob und senkte seine Brust. Er ruhte in seiner totenähnlichen Starre, bis das Versinken der Sonne ihn erneut zu einer Nacht seines untoten Daseins rufen würde.
»So, da haben wir ihn ja«, sagte Astorin und lachte böse. »Gleich ist es endgültig vorbei mit der Macht des großen Grafen!« Sein Blick schweifte durch die Gruft und blieb dann an einem mächtigen silbernen Schwert hängen.
»Und sieh, er gibt seinem Vernichter sogar noch die richtige Waffe in die Hände. Ein feiner Zug von unserem Grafen, findest du nicht?«
Leichtfüßig eilte der Magier zur Wand und nahm die glänzende Waffe herunter. Es ließ das Schwert in zwei schleifenförmigen Schwüngen durch die Luft sausen.
»Ich bin zwar kein Kämpfer des Schwertes, doch ich würde sagen, dies ist eine außergewöhnlich gute Waffe. Würdig, Graf von Draka das Herz herauszuschneiden und den Kopf abzuschlagen.« Er kehrte zurück, stieg auf das Podest und trat an den Sarkophag.
So einfach kann es nicht sein, dachte Tonya. War der mächtige Vampir in seiner Erstarrung so hilflos, dass Astorin hier einfach hereinspazieren und ihn mit einem Stoß ins Herz vernichten konnte? Wo waren seine untoten Wächter? Wo die magischen Schutzzauber, die er sicherlich beherrschte? Der Wolf winselte und begann sich rückwärts von dem Podest zurückzuziehen. Hatte er seinen Herrn bereits aufgegeben?
Etwas wie Mitleid erfüllte Tonyas Gemüt und sie warf einen letzten Blick auf das makellose Antlitz, die bleiche Haut, das lange Haar, die schlanken, über der Brust gefalteten Hände.
Was war das? Tonya blinzelte. Es war ihr, als hätte er sich bewegt. Zuckten die Finger nicht ein wenig? Sie starrte auf seine Brust. Nein, sie hob und senkte sich nicht – aber tat sie das überhaupt, wenn er des Nachts erwachte? Es gab kein schlagendes Herz in seiner Brust, das das Blut durch die Adern treiben musste.
Da! Nun hatte sie es ganz deutlich gesehen. Der linke Zeigefinger streckte sich für einen Moment und entspannte sich dann wieder. Sie hob den Blick rasch zu seinem Gesicht. Um die Mundwinkel zuckte es, und auch die
Weitere Kostenlose Bücher