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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Wort.

Khaleios’ Tochter
    Yelanah stand teilnahmslos dabei, als Khaleios niederkniete, um das Herdfeuer in der Mitte des Raumes und zwei runde Laternen anzuzünden. Der fröhliche Lärm des Festes drang zu ihnen herein, doch er war Yelanah fern. Sie hörte nur das Knistern der Flammen. Starr blickte sie auf den König der Elfen hinab. Obwohl er auf dem Boden kniete, strahlte er so viel Macht aus, dass Yelanah wütend die Fäuste ballte.
    »Wieso regst du dich auf?«, fragte er gelassen und setzte sich wieder auf seinen Hocker. Nur seine Augen verrieten ihn - sie leuchteten so listig und gefährlich wie immer.
    »Du begehst einen Fehler«, sagte Yelanah. »Er ist nicht der Menschenjunge, der …«
    »Doch, er ist es.« Khaleios’ Augen bannten sie. Sie spürte, wie seine Worte sich in ihr festsetzten. Sie schienen jeden Widerspruch unmöglich zu machen. »Er ist es. Du weißt es und ich weiß es. Du hast ihn zu uns geführt und deine Aufgabe ist erfüllt.«
    »Du liegst falsch. Ich muss gar keine Aufgabe erfüllen. Und ich werde dir den Menschenjungen nicht geben.«
    Ein gefährlicher Zorn wischte endlich die reglose Maske von seinem Gesicht. Er erhob sich. »Du bist an erster Stelle eine Tochter unseres Volkes! Und du bist meine Tochter, Yelan!« Er wollte sie nur ablenken. Er wollte … Yelanah trat einen kleinen Schritt zurück und sammelte sich.
    »Es steht dir nicht zu, so mit mir zu sprechen, König der Elfen! Ich bin eine Tochter deines Stammes - aber der Geist der Ewigen Nebel lebt in mir, vergiss das ja nicht! Ich kämpfe für die heiligen Stämme.«
    Khaleios verzog das Gesicht. »Begreifst du denn nicht? Wenn wir verschwinden, sind auch die Dar’hana verloren! Darum brauchen wir den Menschenjungen. Gib ihn uns, damit er unser Volk vor den Menschen rettet! Gib ihn her, damit der im Dunkel Geborene das Dunkel vertreibt …« Jede gespielte Sanftheit war aus seiner Stimme gewichen; sie hatte ihre geheimnisvolle Schönheit verloren. Yelanah spürte, wie ihr Selbstbewusstsein in seiner Gegenwart verschwand, wie es schon so oft geschehen war, aber sie wollte es nicht zulassen. Nicht dieses Mal.
    »Du irrst dich. Ein Einzelner wird die Menschen nie besiegen können. Er … er gehört zu den Dar’ hana. Der Menschenjunge gehört mir! Ich habe ihn gefunden, ich habe ihn gepflegt und vor dem Tod bewahrt. Niemals überlasse ich ihn dir!« Mit großen Schritten kam Khaleios um das Herdfeuer herum. Er packte Yelanah an den Schultern und schüttelte ihr Tränen aus den Augen, aber sie hielt seinem Blick stand.
    »Ich erinnere mich an deine Geburt«, flüsterte er. »Weißt du, wieso ich dich überhaupt zu den heiligen Stämmen ließ, meine Tochter? Wieso ich gestattete, dass du deine Mutter verlässt, nur um sie heute wie eine Dienerin zu behandeln, die es nicht wert ist, angehört und angesehen zu werden? Weil ich wusste, dass der Menschenjunge einmal mit dir kommen würde. Es ist dein Schicksal, deine Aufgabe, ihn zu uns zu bringen, so besagt es die Prophezeiung des Octaris! Er sollte die Tochter eines Elfenkönigs … er sollte ihr in ihr Reich folgen und so ist es geschehen. So war es abgemacht; hier bei meinem Feuer haben wir es abgemacht, schon vor deiner Geburt war es entschieden!« Seine Finger gruben sich in ihre Schultern. Die halb verheilte Pfeilwunde pochte vor Schmerz.
    »Nein. Niemals überlasse ich ihn dir. Ich kenne deine Visionen! Deine Prophezeiung von Rache und verhasstem Blut … das ist nur ein Traum, der in der Wirklichkeit nicht bestehen kann, ich lasse Revyn nicht dafür sterben!«
    Sein Blick brannte sich in ihre Augen. »Aber für dich soll er sterben?«
    Yelanah schluckte. Als sie spürte, wie der Griff des Elfenkönigs sich lockerte, riss sie sich los. »Ich werde ihn nicht wie du zwingen, allein gegen zwanzigtausend Menschen zu kämpfen! Das ist Irrsinn! Kein Mensch ist so mächtig, dass er ein ganzes Volk retten kann, keiner, auch nicht Revyn.«
    Starr sah Khaleios sie an. Er ertastete ihre Gedanken, ihre Gefühle … sie spürte es auf der Haut, zuckte unruhig und versuchte mit aller Macht, sich vor ihm zu verschließen.
    »Du magst ihn gerne, den Menschenjungen, nicht wahr, Tochter?« Von draußen wehte fröhliche Musik herein. Frauen lachten. Yelanah versuchte sich zu konzentrieren, um Khaleios standzuhalten. »Aber du weißt ganz genau, was abgemacht war. Du solltest ihn hierher führen und das hast du auch getan. Deine Aufgabe ist erfüllt. Das willst du nur nicht einsehen.«
    Sie

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