Das Drachentor
waren ohrenbetäubend. Grässliche Schreie wehten zu ihm herüber, bis er den Schmerz zu spüren glaubte. Ihm wurde ganz schlecht. All das Elend auf der Welt, all der zerstörerische Hass raubte ihm fast den Verstand.
Plötzlich sah er einen Mann an den Gitterwagen vorbeihetzen. Sein Herz zog sich zusammen. »Meister Morok!« Er stürzte an die andere Seite des Wagens. »MEISTER MOROK! Hier drüben! Hier!«
Der alte Händler fuhr erschrocken herum. Als er ihn endlich entdeckte, war Revyn sich nicht sicher, ob er ihn wiedererkannte. Verzweifelt winkte er ihn heran. »Meister Morok! Holt mich hier raus!«
»Revyn?« Meister Morok blinzelte verwundert. »Was machst du da drinnen?«
Revyn lächelte vor Erleichterung. »Ein Missgeschick. Bitte, macht die Tür auf.«
Meister Morok blickte kurz nach allen Seiten. Trotz der Kälte glänzte sein Gesicht vor Schweiß. »Die Schlacht hat angefangen, Revyn. Wir brauchen unbedingt noch mehr Drachen, da vorne sterben sie wie die Fliegen. Komm da raus.« Er öffnete den Riegel. Revyn sprang heraus, dann zog er die Tür so weit auf, dass Nhoar ihm folgen konnte. Zögernd trat Meister Morok zurück.
»Revyn, hör zu«, keuchte er. »Kannst du die Drachen hier zähmen, auf die Schnelle? Ich habe da vorne ein paar Männer, gute Männer, die einen Drachen in die Schlacht reiten wollen …«
Revyn sah ihn kurz an, bevor er zu Palagrins Wagen lief und den Riegel aufschob. »Tut mir leid, nein.«
Vorsichtig streckte er die Hand nach Palagrin aus und half ihm aus dem Wagen. Nach den Folterungen der Zähmung war er ganz schwach auf den Beinen. Als er befreit war, lief Revyn zu dem nächsten Wagen und öffnete die Gittertür. Isàn hing in den Ketten. Revyn konnte kaum hinsehen, als er die Fesseln löste - überall waren Wunden.
Plötzlich packte eine Hand Revyn an der Schulter und riss ihn zurück. Meister Morok drückte ihn gegen die Gitterstäbe. Der Wind ließ sein spärliches Haar flattern. »Was machst du mit den Drachen?!«
»Ich befreie sie!«
Meister Morok holte aus und schlug ihm ins Gesicht. Mit einem Keuchen fiel Revyn gegen die Wagentür. Sein Kiefer fühlte sich an wie ausgerenkt. Er fuhr herum. Seine Faust traf Meister Morok aufs Auge. Der Händler stolperte zurück. Revyn holte erneut aus, schlug ihm in den Bauch und auf die Schläfe. Meister Morok krümmte sich. Dann kam seine Faust wie aus dem Nichts und donnerte in Revyns Gesicht. Benommen fiel er zurück und hielt sich gerade noch an den Wagengittern fest. Sterne tanzten vor seinen Augen.
Ein panischer Drachenschrei erklang. Als Revyn herumfuhr, sah er, wie Meister Morok sich auf Palagrin schwang. Mit seiner Reitschlaufe drosch er auf ihn ein. »Vorwärts! Vorwärts!« Palagrin wand sich vor Schmerz, als die Schürfwunden auf seinem Rücken aufrissen. Dann preschte er blindlings los.
»NEIN!« Revyn taumelte hinterher. »PALAGRIN!« Er rannte durch das verlassene Lager - Meister Morok ritt geradewegs in die Schlacht. Revyn riss im Rennen sein Schwert heraus und tauchte in die Menge der Kämpfenden ein.
Rings um ihn stürzten sich Männer aufeinander. Er wich einem brüllenden Myrdhaner aus, den das Schwert eines haradonischen Reiters vor seine Füße gefällt hatte. Direkt vor ihm stolperte ein Haradone über einen Pferdekadaver und wurde von seinem Gegner erstochen. Ein anderer wehrte eine Lanze ab, nur um einen Augenblick später von einem Pfeil durchbohrt zu werden.
Je weiter Revyn rannte, umso undurchdringlicher wurde das Menschendickicht. Irgendwo vor sich sah er Meister Morok und Palagrin - oder war es ein anderer Drachenkrieger? »Palagrin!«, schrie er verzweifelt.
Von links stürmte ein Mann auf ihn zu. Im letzten Moment parierte er seinen Axthieb, wich zur Seite und floh. Ein Pfeil sirrte an Revyn vorbei - er duckte sich und fuhr herum, doch der Schütze war längst wieder im Gewühl verschwunden. Dann kam ein Drache vor Revyn auf. In seinem Hals steckte eine Lanze.
Mit starren Augen beobachtete Revyn, wie der Drache nach Luft schnappte. Er war tödlich verwundet.
Langsam sah Revyn auf. Überall fielen nicht nur Männer, sondern auch Drachen. Die Luft war erfüllt von ihren tiefen, schmerzvollen Schreien. Wie viele wohl starben, jede Sekunde? Der Boden bebte. Nicht weit von Revyn stürzte ein brennender Drache auf die Kämpfenden.
Ein eisiger Schauder raste Revyn den Rücken hinab. In seinen Ohren klirrte ein hoher, schrecklicher Ton. War es wirklich …
Silbrige Funken schwebten vor Revyns
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