Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
Vom Netzwerk:
werden morgens und abends ausgemistet. Hier …« Er ging zum ersten Winddrachen. Schwere Holzbalken hinderten ihn daran, einfach aus seinem Stall zu laufen. »… und in diesen Karren packste den Drachenmist.« Ehe Revyn sichs versah, wurde ihm eine große Schaufel in die Hand gedrückt.
    »So. Den Karren ziehste dann von Drachen zu Drachen und machst dahinten alles tipptopp sauber. Wenn du dort ankommst«, der Stallbursche deutete in die Ferne, »findest du ein Loch im Boden, durch das wir den Mist entsorgen. Fällt dann alles aus der Stadt raus, deshalb nennen’s manche das stinkende Loch des Todes.« Es dauerte eine Weile, bevor der Stallmeister sich von seinem atemlosen Lachanfall erholt hatte. Revyn wartete ruhig, bis er weitererklärte: »Da stellste den Karren drüber und ziehst’n Boden vom Karren an diesem Hebel hier auf. Und schon fällt alles raus, in …«
    »Ja, das stinkende Loch des Todes, schon verstanden.« Revyn trommelte unbehaglich mit den Fingern auf den Schaufelgriff, während der Stallbursche wieder losprustete. Schließlich rang auch er sich zu einem Lachen durch, wenn auch nur aus Höflichkeit. In Wirklichkeit war er ganz auf das ungute Gefühl konzentriert, das sich wie ein bleierner Klumpen in seinem Magen zusammenballte. Nicht etwa weil er für den Rest des Tages einen stinkenden Misthaufen hinter sich herziehen würde - der Gedanke, in die Ställe der Winddrachen klettern zu müssen, erfüllte ihn mit flauem Unbehagen. Wie viel mächtiger sie doch mit freien Flügeln wirkten …
    »Na also dann, viel Spaß, Kamerad.« Der Stallbursche schlug ihm kräftig auf den Rücken. »Wir sehn uns beim Abendessen.«
    Und dann war Revyn mit den Drachen alleine.

Erster Tag und erste Nacht
    Jeder Muskel schmerzte. Seine Hände brannten, vor allem zwischen Daumen und Zeigefinger, wo er den Karren gehalten hatte. Sein Geruchssinn war nach elf Ladungen Drachenmist betäubt. Im Grunde fühlte sich Revyn wie zu Hause.
    Entgegen seiner anfänglichen Besorgnis waren die Winddrachen gutmütig und behutsam. Doch wann immer Revyn sich umdrehte, war ein Paar schwarzer Murmelaugen auf ihn gerichtet. Es war nicht der Blick eines gewöhnlichen Tieres. Gedanken spielten hinter den Pupillen, als würde der Drache im nächsten Moment den Mund öffnen und zu sprechen beginnen. Eine Aufforderung lag darin. Oder vielleicht eine Frage. Revyn fühlte sich schrecklich, wenn er die Drachen nicht zu beachten versuchte und einfach seiner Arbeit nachging. Aber mit ihnen sprechen, als sei er sicher, dass sie ihn verstünden, brachte er auch nicht über sich - jeder Krieger, der vorbeikam, würde ihn ja für verrückt halten. So verbannte er alle Gespräche, die er mit den Drachen führen wollte, in seine Gedankenwelt.
    Wie ist es für euch in Logond?, fragte er die Drachen. Und es war wahrscheinlich derselbe hirnverbrannte Teil in ihm, befürchtete Revyn, der diese Frage stellte und auch beantwortete: Sieh dich doch um, dann weißt du es.
    Sehnst du dich manchmal nach der Freiheit?
    Freiheit! Was ist das?
    Nun, es bedeutet, dass du gehen kannst, wohin du willst.
    Ist das wirklich Freiheit? Was, wenn wir gar nicht wissen, wohin wir wollten? Was, wenn wir nirgends hinwollen, weil wir keinen anderen Ort als diesen kennen? Nicht nur euer Eisen kettet uns an …
    Erst wenn Revyn einen Stall verließ, rang er sich zu einem leisen »Bis bald« durch, und manchmal hatte er sogar das Gefühl, die Drachen würden überrascht die Köpfe heben und ihm hinterherblicken, bis er zwischen den anderen Kriegern auf dem weiten Steg verschwunden war.
    Revyn hatte Zweifel, ob er im regen Treiben auf Logonds Mauern das Loch finden würde, durch das er den Drachenmist entsorgen sollte. Aber es war nicht zu verfehlen. Mehrere Stallburschen und Krieger, die wie er das Unglück hatten, zum Stallausmisten abgeordert worden zu sein, sammelten sich mit ihren Karren um einen kleinen Platz am Rand der Mauer. Die Falltür, von der der Stallmeister gesprochen hatte, war in den Boden eingelassen.
    Als die Sonne hinter den westlichen Mauern Logonds unterging, erklangen rund um die Stadt Hornrufe ähnlich denen, die Revyn morgens geweckt hatten. Nur diesmal schien ihm ihr Klang tiefer und sehr viel friedlicher. Obwohl es noch nicht dunkelte, kamen Mädchen und Jungen die weiten Treppen zum Stadtteil der Drachenkrieger herauf und entzündeten entlang des Rathauses Fackeln. Denn es war, wie ein Drachenkrieger Revyn erklärte, in Logond Brauch, dass Kinder die

Weitere Kostenlose Bücher