Das dreizehnte Kapitel (German Edition)
schildert auch, was alles ihn mit August verbinde und in welchen seiner Eigenschaften er Wirkungen Augusts des Starken entdecke. Und dazu immer die Bescheidenheits-Ironie. Am ehesten, schreibt er, sei sein Schreiben mit der Tätigkeit der Kühe, die auf der Weide liegen und wiederkäuen, vergleichbar. So produzierten sie die Milch, die ihnen, wenn sie weiterleben wollen, genommen werden muss. Was den Kühen das Gras, ist meinem Schreiben die Wirklichkeit. Es gilt für Kühe und Schreiber, dass Silofütterung das, was herauskommt, mindert.
Je wüster er sich als den zweiten August den Starken feiert, desto wütender macht er sich dann herunter und wird so für Heutige erträglich, ja sogar genießbar.
Dem Schluss dieser aggressiven Verstiegenheiten kann man eine Art Achtung nicht verweigern. Da er so gut wie alles, was er vorkommen lässt, zur direkten oder indirekten Feier seiner Person verwendet, berührt es mich schon, wie er den Schluss verkauft. Die Ehrenpromotion fiel nämlich auf den berühmt-berüchtigten 11. September 2001. Am Vormittag das Offizielle in der Uni, für abends war im Taschenbergpalais, also in Dresdens erster Adresse, ein ganz großes Festessen geplant. 99 Gäste waren geladen. Nur Leute von Rang. Wir waren nicht dabei, weil wir Luitgard und Ludwig erst ein Jahr später kennenlernten. Der Festabend musste misslingen, weil am späteren Nachmittag durchdrang, was in New York passiert war. Von den 99 Prominenten erschienen zwölf. Ludwig dankte den zwölf Erschienenen für ihren Mut, sich dieser Welterschütterung zu entziehen, und er dankte den 87 Nichterschienenen für ihre feinfühlige Entscheidung. An einem solchen Tag sei alles, was man mache, falsch. Er gestehe, dass er sich besiegt vorkomme, geschlagen von Osama bin Laden. So geschlagen, wie er noch nie geschlagen worden sei. Und er wisse, diese Niederlage sei kein Zufall, sondern ein Ergebnis. In dieser Niederlage komme zum Ausdruck, was sein Leben, seine Lebensarbeit wert sei: nichts. Und hob das Glas, sagte: Prosit, trank und wünschte allen einen guten Appetit.
So steht’s im Buch. So schließt er.
Lieber Freund, dieser Schluss ist mir nahegegangen. Das lesend, hätte ich ihm gern die Hand gedrückt.
Ach, mein Freund, sagen Sie mir, was ich tun soll!
Die Suppe mit den sauren Kutteln fehlt natürlich auch nicht. Und ziemlich hart heißt es da: Nicht jeder, den man durch eine märchenhafte Suppe kennenlernt, wird dann der Freund, den die Suppe versprach.
Lieber Basil! Was tun? Wenn Korbinian dieses Buch ohne mich entdeckt, ungeschützt, dann – ich weiß nicht, was dann geschieht. Basil, helfen Sie mir!
Ihre noch nie so auf Ihre Hilfe angewiesene
Maja
17
Liebe Freundin, liebste Maja,
was sagt das wieder über die Menschen: Sie, in solcher Not, und ich bade im Glück, weil Sie mich rufen.
So weit auf der in der Leere hängenden Brücke sind Sie noch nie herübergekommen. Ich habe immer schon alle Ihre Sätze wie direkte Berührungen erlebt, jetzt aber, Ihre Sätze jetzt, so nah, so mich spüren lassend, dass es Ihnen etwas ist, mir sagen zu können, wie Sie zu leiden haben! Liebe Maja, was sagt das über die Menschen? Sie in Not und ich durch Ihre Not im Glück! Im Nähe-Glück wie noch nie! Darf ich mich freuen? Nein, nein, nein. Freue ich mich? Ja. Entschuldigen Sie. Bitte.
Hoch hinaus habe ich natürlich auch bemerkt und gleich bestellt und sofort gelesen. Ich gebe zu: Ihretwegen. Ich kann diesen Ludwig nicht mögen. Er ist mir zu aufdringlich. Und wie er sich darauf verlässt, dass wir uns für alles interessieren, was er so dahinsagt. Auch wenn er sich Mühe gibt, sich selber zu verurteilen, glaube ich ihm nichts. Gar nichts. Es ist sein Schicksal, nichts gegen sich empfinden oder gar formulieren zu können. Wie bei einem Midas jede Berührung Gold produziert, wird bei ihm jede Silbe Selbstherrlichkeit. Tatsächlich hat er auch mich berührt. Nicht gerade für sich gewonnen, aber doch bewegt durch diese ebenso heftigen wie unglaubwürdigen Versuche, etwas gegen sich vorzubringen. Er ist geschlagen mit unaufweichbarer Eigenliebe. Das macht ihn, würde man bei einer Maschine sagen, inkompatibel. Wahrscheinlich hat er einen nicht formulierten, aber Tag und Nacht gelebten Vertrag mit seiner Luitgard. Sie weiß genau, was von ihm nicht zu erwarten ist, und lässt sich, was sie nicht kriegt, in anderer als menschlicher Währung auszahlen. Wahrscheinlich in einem solchen Übermaß, dass sie ohne Liebe leben kann.
Wenn nun
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