Das dreizehnte Kapitel (German Edition)
Ober diktiert und verlangt, dass der mitschreibe, für die Küche, wie das gehe, einen Schinken kross so zu braten, dass dann keine Dachpappe herauskomme. Und der Ober schreibt tatsächlich mit. So kannten wir die Szene. Jetzt gibt’s noch einen Schluss-Satz: Das hat ein Gast diktiert, der sein Geld ehrlich verdient hat. Und dass zur Nudelsuppe immer eine Gabel gebracht werden musste, weil sein Großvater in Zagreb das auch so gehalten hat, kannten wir auch. Und die Tanz-Geschichten.
Ach, ach, ach! Da ist jetzt zu lesen Ludwig Froh mit dem Zarathustra-Nietzsche: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Und den Satz habe ich ihm gesagt am Abend eines Trainingstages am Timmendorfer Strand. Er hat gerade getönt, dass das Tanzen der reinste Ausdruck der Lebensfreude sei. Und ich, irgendwie von ihm begeistert, biete an: Mehr als das, lieber Ludwig, man muss noch Chaos in sich haben … Das ist andererseits seine Begabung, er ziert sich mit allem, was ihm überhaupt erreichbar ist. Er reißt sich gar alles unter den Nagel. Ich bin sicher, wenn ihm beim Diktieren diese Nietzsche-Floskel einfällt, fällt ihm auch ein, dass ich ihm in Timmendorf abends diesen Satz geliefert habe. Korbinian könnte so einen Satz nicht verwenden, ohne dazu zu sagen, von wem er ihn habe. Ludwig weiß gar nicht, was das ist, sich genieren. Er verkauft meisterhaft. Alles.
Jetzt Teil III, Titel: Das Imperium .
Lieber, liebster Freund, so wichtig wie jetzt waren Sie noch nie für mich. Die Seele des Imperiums: die Grals-Druckerei. Von Brügge bis Kiew und von Palermo bis Stockholm – so unvergleichbar gut wie von Ludwig Froh sind die Stundenbücher, die Evangeliare, die Miniaturmalereien, die Bibel-Übersetzungen nirgends gedruckt worden. Die Massenpresse, die er auch überall konkurrenzlos druckt, erwähnt er durchaus zärtlich, aber nur nebenbei. Dass Luitgard bei Heribert Brennstuhl in Berlin über die Marienverkündigung in der ottonischen Buchmalerei erfolgreich promoviert hat, wird dazu benutzt, seine eigene Promotionsgeschichte ins Grotesk-Komische zu ziehen. Auch das kannten wir längst. Der silberne Koffer, in dem seine Dissertations-Fragmente bewahrt waren, wird, als die Wannsee-Villa während einer Drei-Wochen-Abwesenheit der Frohs ausgeraubt wird, von den Tätern auch mitgenommen. Ludwigs effektvolle Reaktion: Er sei total glücklich gewesen. So sehr er gehofft habe, mit dieser Arbeit über die Aktdarstellung in der Malerei des romanischen Stils zu glänzen, wie er noch nie geglänzt hatte – jetzt war er erlöst. Endlich war er die Diss los. Das alles noch einmal zu erarbeiten: unmöglich. Luitgard und er feierten den Raub. Luitgard bleibt die einzige Doktorin im Hause Froh. Aber da, eines Tages entdeckt der Gärtner einen silbernen Koffer, aufgeklappt, die Papiere verstreut und verregnet. Der Gärtner sammelt alles zusammen, trocknet alles und meldet dem Chef, was da wohl über die Umfassungsmauer geworfen worden ist und lange liegen geblieben war. Für Ludwig war’s ein Schock. Die Diss! Fing das wieder an?
Und zwei Tage später: Die Technische Universität Dresden teilt mit, dass er auserwählt worden sei, Dr. h. c. der TU zu werden. Und wieder hohes Raffinement. Er nimmt an, lässt sich in einer Laudatio als August der Starke des Druckwesens feiern, aber dann, in seiner Danksagung, rechnet er ab. Mit sich selber. Er müsse sich nichts so übel nehmen, wie dass er diese Ehrung nicht abgelehnt habe. Natürlich habe er der TU Dresden nicht nur nichts vorzuwerfen, sondern zu danken. Aber sich selber werde er es nie, nie, nie verzeihen, dass er nicht abgelehnt habe, etwas entgegenzunehmen, was er oft genug in Gedanken und Worten geschmäht habe. Tiefer sei er nie gefallen als in dem Augenblick, in dem er sich auszeichnen ließ wie einer dieser verkommenen Professoren, die einander die Titel nachwürfen. Von allen Erschleichungen der Unsterblichkeit die lächerlichste. Richtig satirisch wird er da. Den Dr. h. c. sollte man Dr. rehabil. nennen. Solche Witzchen passieren ihm. Aber dass er sich als August der Starke des Druckwesens feiern ließ, teilt er unvermindert mit, ja er bekennt sogar, dass nur eine Universität in Dresden ihn dazu verführen konnte, sich so untreu zu werden. Das ist eben Dresden. Und Dresden ist immer noch August der Starke, und August der Starke sei immer sein Vorbild gewesen. Natürlich malt er sich bescheiden ganz klein zu Füßen dieses Königs. Aber er
Weitere Kostenlose Bücher