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Das dreizehnte Kapitel (German Edition)

Das dreizehnte Kapitel (German Edition)

Titel: Das dreizehnte Kapitel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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die mich zu Ihnen Du sagen lässt, Basil. Falls es Dich interessiert, wie so etwas geschieht, empfehle ich die Lektüre: Karl Barth, Charlotte von Kirschbaum, Briefwechsel.
    Die Ermöglichung des Unmöglichen, das auch als Ermöglichtes unmöglich bleibt.
    «… wird das nun immer so sein, daß der Boden überall, aber auch überall jederzeit ebensogut nachgeben wie Halt geben kann? Wie ist Alles so schwer.»
    «Was ich heute nacht von Dir geträumt habe? Nein, das geht nicht aufs Papier, und du brauchst überhaupt nicht Alles zu wissen ……»! Also! Lieber!
    Die Gelieferte

    Von meinem iPhone gesendet

23
    8. November 2010
    Liebe, es gibt noch Übermut!
    Ich lasse für Karl Barth eine Messe lesen! Aber wie verkrafte ich das? Dein DU!
    Ich war immer per Du mit Dir. Das hast Du gemerkt. Nichts Wirkliches hatte je so viel Leben wie das, was Du mir geschrieben hast. Ich war, das sah ich bald, sehr bescheiden gewesen. Weil ich nicht gewusst habe, dass es Dich gibt. Du hast mein vor Dir gelebtes Leben entwertet. Ich schäme mich meiner früheren Gefühle. (Ausnahme: Iris!) Ich möchte nicht der sein, der ich war. Ich möchte der sein, der ich durch Dich bin. Mein Interesse für das Mögliche schrumpft.
    Dein von Dir Lebender

24
    23. November 2010
    Lieber Liebster,
    wenn Deine Liebe und meine Liebe eine Liebe werden, geht die Welt unter.
    Martin Luther: … per fiducialem desperationem tui … Karl Barth übersetzt: … den nächsten Schritt in getroster Verzweiflung tun.
    Deine Vertraute

    Von meinem iPhone gesendet

25
    23. November 2010
    Liebste,
    wenn Deine Verzweiflung und meine Verzweiflung eine Verzweiflung werden, erlischt alle Unmöglichkeit.
    Dein Dir ganz und gar Gehörender

26
    Stoß dir doch die Stirn blutig, dass das, was passiert, zum Ausdruck kommt. Aber das soll’s ja nicht. Es soll einfach nichts mehr sein. Dem entsprich.
    Auch wenn ich mir mit aller Geisteskraft, die ich doch eigentlich haben müsste, sage, dass auch heute nichts, wieder nichts da sein kann, auch wenn ich mir das vorsage, vorsage, vorsage – wenn dann der Apparat meldet: Es sind keine Objekte in dieser Ansicht vorhanden, ist es ein Schlag. Es bleibt eine Art Betäubung. Nicht die Sinne werden betäubt, sondern das Bewusstsein. Eine Desensibilisierung. Ich sitze dann eine Zeit lang. Reglos. Bis sich das Bewusstsein wieder melden kann.
    Einmal wollte sie mich am liebsten teilnahmslos. War das ein Schluss-Signal? Fürsorglich genug. Es sind keine Objekte in dieser Ansicht vorhanden. Das ist eine Übersetzung. Dann lass ich den Apparat suchen. Er bietet’s an: Nachricht suchen. Also. Durchsuchen: Ungelesene E-Mails. Dann: Es konnte kein Treffer für Ihre Suche gefunden werden.
    Der nächste Befehl: Erneut in allen E-Mails suchen.
    Untergehen wie ein Schiff. So romantische Vorstellungen lasse ich zu. Der Verschönerungswille überlebt. Auch dass es nichts mehr zu verschönern gibt, will er verschönern.
    Wenn nichts mehr kommt, merkt man, wie sehr man von der Einbildung gelebt hat, es sei etwas. Es könne noch etwas sein.
    Der primitive Verstand will mir anbieten, die Verschwundene habe mir die umständliche Ludwig-Luitgard-Story nur aufgetischt, um mich vorzubereiten auf ihr Verschwinden. Dann hat sie mich um Hilfe gebeten, dass ich eine Anti-Schmerz-Technik entwickle, die ich nachher, wenn sie mir entschwindet, selber bei mir anwenden kann. Den Schmerz vom Anlass trennen usw.
    Es war meine Einbildung. Ein Hin und Her von Wörtern, die etwas zu sein schienen, aber nichts waren.
    Das elendeste Wort überhaupt: warum.
    Bloß jetzt keine Motiv-Schnüffelei.
    Bloß jetzt keine Klage oder gar Anklage.
    Dass SIE Gründe hat, geht dich nichts an.
    SIE bleibt jenseits aller vorwurfhaften Belangbarkeit. Wenn es nicht nötig gewesen wäre, wäre sie nicht verschwunden.
    Es ist etwas geschehen. Etwas Wichtiges. Wie wichtig es für dich ist, erlebst du jetzt andauernd. Und jetzt will die Gewohnheit wissen, warum ist das geschehen. Du hast einmal selber geraten, den Schmerz von seinem Anlass zu trennen. Jetzt tu das. Streich das Warum.
    Heiße den Schmerz willkommen.
    Verhör ihn nicht. Frag nicht nach Gründen. Alle möglichen Gründe für das, was geschehen ist, sind, verglichen mit dem Geschehenen, trivial. Gründe für etwas sind immer billig.
    Hüte dich vor allen Gründen. Überall. Auch in dir. Vor allem in dir.
    Dass sie mich in Tegel gesehen hat, wie sie mich gesehen hat, das kann ihr nachgegangen sein, das kann’s gewesen

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