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Das dreizehnte Kapitel (German Edition)

Das dreizehnte Kapitel (German Edition)

Titel: Das dreizehnte Kapitel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Lispeln wiegende Lächeln ist mit der immer konkreten Heiterkeit der Rektorin nicht zu vergleichen.
    Was für ein Paar!
    Er, der sich so outet, um ein ehebrecherisches Verhältnis anzuprangern, er weiß, dass er sich dadurch selbst anprangert. Sein Motiv ist Liebe. Er ist stolz auf die Hoffnungslosigkeit seiner Liebe. Er wird Nashville an dem Tag verlassen, für immer verlassen, an dem die Rektorin den neuen Vize-Rektor in sein Amt einführen wird.
    Sicher haben Kollegen aller Fakultäten das Skandalöse des Verhältnisses Mathematikerin–Philosoph genau so gesehen wie er, der Slawist. Aber alle tun so, als sähen sie es nicht. Die Rektorin ist ein Pferd. Dass sie über die gruppentheoretischen Grundlagen der projektiven Geometrie geforscht und geschrieben hat, ändert nichts an ihrer Pferdehaftigkeit. Sie ist Vollblut. Und dass der Philosoph ein Pfuscher ist, sieht jeder. Dass beide durch ihre Bräune ihr Verhältnis frivol gestehen, ohne dass das gesagt werden darf, ist an einer Universität, also in einer der Wahrheit verpflichteten Anstalt, nicht hinzunehmen. Der, der der Wahrheit die Ehre gibt, gesteht, dass er selber nur zu bereit gewesen wäre, zu der Rektorin in ein skandalöses Verhältnis zu treten, hätte sie nur ihn statt dieses Berufsmelancholikers gewählt! Dass er es, sich so outend, unmöglich macht, mag darauf hinweisen, wie wichtig für die Universität ist, dass sie nicht geleitet wird von einem ehebrecherischen Paar. Auch wenn er selber der Erwählte gewesen wäre, hätte er, hoffentlich, die Kraft gehabt, seine moralische Untauglichkeit öffentlich zu gestehen. Dass der berufsmelancholische Philosoph mit immer gleich gebräunter Glatze und die immer gleich schön gebräunte Mathematikerin damit rechnen, keiner werde es wagen, ihr Verhältnis zu plakatieren, das zeigt, wie weit wir gekommen sind in Tennessee. Der Philosoph hat die Mathematikerin mit seinem Bestseller-Ruhm geblendet. Anders ist die Wahl des um einen Kopf kleineren Berufsmelancholikers nicht zu verstehen. Er ist ein Philosoph, wie ein Vegetarier, der sein Geld als Wursthändler verdient, ein Vegetarier ist.
    Da ruft sich der Slawist selbst zur Ordnung. Und verabschiedet sich von Nashville und von Tennessee, wissend, dass er nie mehr zurückkehren wird. Aber manchmal müssen Opfer gebracht werden. Zur Ehre des Großenganzen.
    Dann entschuldigte sich Christopher McGee. Er wäre so ausführlich nicht geworden, wenn er in unseren Gesichtern nicht eine Art Interesse, wenn nicht sogar Teilnahme entdeckt zu haben glaubte. Und wenn Sie, gnädige Frau, nicht so leuchtend braun gebrannt wären, hätte ich Ihnen die Geschichte und das alles nicht erzählt. Aber, das gebe ich zu, ich finde fast immer einen Grund, sie zu erzählen. Aber, das gebe ich auch zu, manchmal erzähle ich sie einfach so, ganz ohne Grund. Gute Nacht. Und war verschwunden.
    Korbinian sagte, als wir schon in den Schlafsäcken lagen, er habe das Gefühl, die Geschichte dieses Professors erinnere ihn an etwas, aber er komme und komme nicht darauf, an was. Ich sagte: Du weißt, wenn einem etwas, was man zu wissen glaubt, nicht einfällt, muss man sich lösen vom momentan Vergessenen, dann kommt es irgendwann von selbst erlösend zurück. Das Alter, sagte er. Es gibt, wie dir unser Freund, der Hirnforscher, leicht erklären könnte, noch ganz andere Blockaden als das Alter, sagte ich mutig in die Helligkeit der nördlichen Nacht.
    Am Morgen müssen wir ein squirrel verjagen, das unseren Sack geplündert hat. Aber auf unserem Campingtischchen liegt eine Packung Nougat mit einem Zettel, auf dem der Professor aus Tennessee gesteht, dass er mich, würden es die politischen Zustände erlauben, zur Königin von Kanada machen würde. Und wünscht uns eine gute Fahrt.
    Das lenkte Korbinian ab von der Braungebranntheitsfährte. Der würde dich sofort heiraten, sagte er. Willst du? Als ich nur lachen konnte, fragte er: Oder bleibst du bei mir? Auf diese Frage sage ich jedes Mal: Immer und ewig.
    Was es nicht alles gibt, lieber Freund. Nicht wahr?
    So grüßt, schon halb wieder im Sattel,
die Radlerin

    Von meinem iPhone gesendet

17
    Pelly Crossing, 17. Juni 2011
    Lieber Freund,
    wir wandern auf dem Hochufer. Einmal zu Fuß. Das tut gut. Vorgestern, auf dem Zeltplatz in Carmacks, ist Korbinian nachts über die Zeltschnur gestolpert und aufs Knie gestürzt. Zuerst: Es geht nicht mehr! Wir brechen ab, kehren um! Ich gebe zu, dass ich das nicht ungern hörte. Aber Korbinian ließ sich

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