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Das dreizehnte Kapitel (German Edition)

Das dreizehnte Kapitel (German Edition)

Titel: Das dreizehnte Kapitel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Die Vorratstaschen an den Rädern sind gefüllt, der Trailer auch, der Zeltplatz direkt am Yukon ist reserviert, Roderich wird uns alle paar Tage treffen, uns mit dem versorgen, was wir brauchen.
    Ein bisschen überraschend war, dass er sagte, dieser Campingplatz sei benannt nach dem kanadischen Balladendichter Robert Service. Ich glaube, er wollte zeigen, dass er, der schon zwei Wochen vor uns herübergeflogen war, uns auch mit dem nötigen Wissen versorgen werde.
    Korbinian schlägt das Zelt auf. Ich darf nicht so tun, als könnte ich behilflich sein.
    Das Zelt auf weichem Moosgrund. Es ist eine Märchen-Inszenierung. Er machte das Feuer, das ein Lagerfeuer heißen darf. Er entfaltete das von ihm selber entworfene und produzierte Campinggeschirr, er kochte und servierte: eine Gazpacho mit allem Drum und Drin. Dann lagen wir im offenen Zelt. Im warmen Wind. Dazu passte, dass es hier im Sommer nie ganz dunkel wird. Alles schwimmt in einer samtenen Dämmerung. Und Korbinian ist der Gerettete. Aber er spielt ihn auch. Genussvoll. Alles, was er sagt und tut, drückt aus: Ich bin der Gerettete. Lass uns glücklich sein. Ich merke, dass ich die staunende Zuhörerin sein soll. Und das bin ich ja auch.
    Gewaltige Donnerschläge weckten uns am frühen Morgen. Und gleich ein Regenguss, der uns zwang, uns ins Allwetterzeug zu werfen. Start in Richtung Dawson City. Tagesziel: Takhini Hotsprings. 36 Kilometer, sagt Korbinian. 36 Kilometer, dann die heißen Quellen. Heiß sind sie, aber nicht ganz sauber. Egal. Korbinian ist glücklich. Ansteckend glücklich sogar. Am nächsten Tag, nach 62 Kilometern, Fox Lake. Weil ich jeden Tag noch erschöpfter bin, werden die Zeltnächte immer schöner.
    Allmählich begreife ich, warum Korbinian uns in Adlershof vier Wochen lang das Training aufgezwungen hat. Die Große Tour, sagte er immer. Du wirst sehen, Kanada! Und hier gibt er am Morgen zart und doch unwidersprechbar bekannt: Heute nach Braeburn, nur 40 Kilometer. Und verschweigt, dass es 40 Auf-und-ab-Kilometer sind. Mich hat das Auf und Ab zu einem well done steak gemacht. Ich bin nur noch ein einziger Zustimmungslaut.
    Hier, in der Braeburn Lodge, erwartet uns Roderich. Er gratuliert mir, dass ich dieses Rauf und Runter 40 Kilometer lang geschafft habe. Und zuletzt bei einem gnadenlosen Gegenwind, sage ich, als sollte bewiesen werden, dass ich es nicht schaffe. Und Korbinian: Heute habe ein Motorradfahrer, als er uns überholte, beide Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Ich machte es nach, wie der Motorradfahrer die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat. Wir diskutierten, wie der das gemeint haben könnte. Korbinian: Er war einfach überrascht, dass ein so alter Mann mit einer so jungen Frau in Richtung Wildnis fährt. Ich sage: Er wollte gratulieren. Korbinian: Wozu? Dazu, dass es uns gibt, sagte ich. Korbinian sagte: Roderich, auch eine Meinung? Roderich sagte: Nichts als Bewunderung!
    Einig sind wir uns über die Landschaft. Wie sich diese Straßen in sanftesten Biegungen durch die Wälder ziehen und an die Hänge schmiegen – immer bis zum Horizont nichts als eine sich durch Wälder und Wälder windende Straße. Sie saugt einen an, zieht einen vorwärts, sagte ich. Und Korbinian: Vorwärts nicht, aber weiter. Und Roderich: Und die Weite ist, so weit sie reicht, menschenleer. Er sei gestern abgebogen vom Klondike Highway, auf dem wir radeln, hinüber zum Lake Laberge. Und erzählt: Hat einen Freund dort, George, mit dem ist er zweimal das Rennen Paris–Dakar gefahren. George hat die Rennfahrt auch aufgegeben, hat sich hierher zurückgezogen, lebt mit seiner Frau in einem der Indianerdörfer. Sie ist von hier. Vom Stamm der Tutchone. Er ist Musher.
    Musher, was heißt das, fragte ich dazwischen.
    Das habe er George auch gefragt. Musher, das ist einer, der zu Fuß große Strecken zurücklegt, und zwar mit Hundeschlitten. George hat fünfundzwanzig Huskys. Im weiten Halbkreis um sein Haus hat jeder Husky seine eigene Hütte, und jeder wird jeden Tag von George besucht. Schon dreimal hat er am Yukon Quest teilgenommen. Von Whitehorse über Dawson City nach Fairbanks. Rund 1000 Kilometer. Das sei spannender als jedes Autorennen. Er, George, sei Fünfter geworden. Das ist bei diesem international bedeutendsten Hundeschlittenrennen doch nicht schlecht. Er hat Roderich ein Buch von Jack London mitgegeben. The Call of the Wild . Darin ist ein Hund namens Buck die Hauptperson. Eine Mischung aus Bernhardiner und

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