Das dreizehnte Kapitel (German Edition)
von mir sein Knie salben und bandagieren. Ab nach Pelly Crossing. Ein vielversprechender Rückenwind gab den Ausschlag. Aber dann aus einer schwarzen Wolke ein Regenüberfall. Wir retteten uns kaum noch ins Regenzeug. Schafften es noch bis Minto. Dann war Schluss. Pelly Crossing konnte uns gestohlen bleiben. Das Überdach übers Zelt gespannt, der Regen wird zur Gemütlichkeit. Tarp, hat Roderich gesagt, heißt diese aufstellbare, unser Zelt schützende Plane. Er hat sie in Whitehorse besorgt.
Dann heute von Minto bis Pelly Crossing. Ein Katzensprung. Wenig Steigung, öfter fast rasant abwärts. Korbinians Knie erholt sich. Und in Pelly Crossing wollen wir so lange bleiben, bis das Knie sich wieder wirklich wohlfühlt. Spaziergänge das Hochufer entlang zur Pelly-Mündung. Das ist keine Flussmündung, sondern eine Urzeitlandschaft. Kiesinseln, Sandberge, in den Pelly Mountains entwurzelte und hierhergeschwemmte Urwaldbäume, alles vom Pelly dem Yukon geliefert, und der will es nicht haben. Durch alles, was er selber mitgeführt und hier aufgehäuft hat, muss sich der Pelly-Fluss, weil er in den Yukon will, wieder durchkämpfen. So erklärt es mir Korbinian. Ich biete es ihm dann als Beispiel für Menschliches an. Metaphorisches lässt Korbinian kalt.
Korbinian ruht, ich finde einen Friseur, komme zurück, Korbinian sagt nichts zu meiner Frisur, Roderich kommt und sagt gleich: Schön. Mich anschauend, mich wahrnehmend, sagt er: Schön. Das klingt ganz und gar glaubhaft. Korbinian kriegt das nicht mit. Er kommt mir jetzt manchmal abwesend vor. Geistesabwesend.
Die Frau an der campground reception heute war so beeindruckt von uns, dass sie uns statt zwei Nächten nur eine berechnen wollte. Anstatt dass sich Korbinian bedankte, wurde er fast laut. Was ihr denn einfalle, er könne bezahlen, was es koste. Die Frau war ganz verwirrt. Ich musste eingreifen. Mein Mann hat Sie falsch verstanden, die Fremdsprache, natürlich danken wir Ihnen. Korbinian sagte nachher: Man darf sich nicht alles gefallen lassen. Schon in Minto kriegte er fast Streit mit dem ground host. Zweimal mussten wir das Zelt wieder abschlagen. Sie hätten nach dem camp host fragen müssen, und das bin ich, sagte der Platzwart. Wir hatten zu nah an dem riesigen Indianer-Tipi gezeltet, das da aus Museums-Gründen steht. Korbinian regt sich jetzt über alles auf. Gestern hielt ein Van, Texaner, die hielten nur, um uns, den armen Radtouristen, zwei Flaschen Wasser zu schenken. Korbinian sagte: Die spinnen wohl. Zum Glück haben sie ihn nicht verstanden. Und als wir in Minto abfuhren, hing an unserer Zeltschnur wieder ein Nougat-Riegel mit einem Zettel von Christopher McGee. Darauf stand:
Ich verfolge Euch nur bis Dawson. Dann biege ich ab, folge dem Top of the World Highway und dann dem Yukon bis Anchorage, bis ans Meer und, wenn es sein muss, ins Meer. Aber eine Botschaft von Euch, von Ihnen, Große Frau, und ich folge Euch auf den Dempster Highway bis ans Eismeer. Auch als Euer Diener. Ich fühle eine unendliche Dienkraft. Die mich, wenn ich niemanden finde, dem ich dienen darf, zerreißt.
Euer Diener
Ch.
PS: Es ist auch der deutsche Laut, der mich anzieht. Im deutschen Laut der Rektorin entkommen. Die Rektorin ist rachsüchtig. Vielleicht ist ihr das Rektorat entzogen worden. Im Deutschen wäre ich unerreichbar für sie.
Korbinian ganz ernst: Wenn du ihn retten willst, sag es jetzt. Ich musste weinen und konnte nicht sagen, warum. Heute geht es weiter nach Stewart Crossing. Das Knie ist heil, sagt Korbinian. Ich musste wieder weinen.
Gestern Abend die Szene mit Roderich. Der war in Fort Selkirk gewesen, einem zum Museum aufgebauten Indianerdorf, hatte einen Stoß Prospekte mitgebracht, wollte uns erzählen, was er gesehen hatte. Korbinian verbot es ihm. Seine Erlebniskapazität sei begrenzt. Was er und ich jeden Tag sähen, wenn wir durch die Wälder führen, das genüge ihm.
Roderich entschuldigte sich.
Korbinian sagte, dass Roderich in Whitehorse gleich den ersten Campground-Namen als den Namen eines berühmten Balladendichters entschlüsselt hat, wie hieß er noch …
Robert Service, sagte ich.
Ja, eben, du hast ihn dir gemerkt, ich nicht, sagte er. Roderich, begreif, ich will nur noch erfahren, was ich mir auch merken kann.
Roderich fragte vorsichtig, ob er Jack London erwähnen dürfe.
Korbinian sagte irgendwie weich: Jack London immer.
Sie machen mich glücklich, sagte Roderich. Er sei heute auf eine Stelle in The Call of the Wild
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