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Das dreizehnte Kapitel (German Edition)

Das dreizehnte Kapitel (German Edition)

Titel: Das dreizehnte Kapitel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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gestoßen …
    Halt, sagte Korbinian, was du neulich vorgelesen hast, das handelte doch davon, dass Buck, die Mischung aus Bernhardiner und Schäferhund, nachts vom Gesanggeheul der Huskys, und das sind die gerade noch Wölfe Gewesenen, ergriffen wird und in dieses Gesanggeheul einstimmen will, weil er da seine eigene Urherkunft erlebt. Ist das richtig?
    Und Roderich: Genau das ist, was Jack London da erzählt.
    Also, lies, sagte Korbinian.
    Roderich las:
All that stirring of old instincts which at stated periods drives men out from the sounding cities to forest and plain to kill things by chemically propelled leaden pellets, the blood lust, the joy to kill – all this was Buck’s, only it was infinitely more intimate. He was ranging at the head of the pack, running the wild thing down, the living meat, to kill with his own teeth und wash his muzzle to the eyes in warm blood.
There is an ecstasy that marks the summit of life, and beyond which life cannot rise. And such is the paradox of living, this ecstasy comes when one is most alive, and it comes as a complete forgetfulness that one is alive. This ecstasy, this forgetfulness of living, comes to the artist, caught up and out of himself in a sheet of flame; it comes to the soldier, war-mad on a stricken field and refusing quarter; and it came to Buck, leading the pack, sounding the old wolfcry, straining after the food that was alive and that fled swiftly before him through the moonlight. He was sounding the deeps of his nature, and of the parts of his nature that were deeper than he, going back into the womb of Time. He was mastered by the sheer surging of life, the tidal wave of being, the perfect joy of each separate muscle, joint, and sinew in that it was everything that was not death, that it was aglow and rampant, expressing itself in movement, flying exultantly under the stars and over the face of dead matter that did not move.    [2]

    Ich hab’s für Sie kopieren lassen, sagte er, im Museum.
    Ich gab zu, dass ich, was er gelesen hatte, zwar gehört, aber doch nicht ganz verstanden hatte.
    Du bist Vegetarierin, sagte Korbinian.
    Und? Sagte ich.
    Buck erlebt sich lebendig, wenn er tötet, sagte Korbinian.
    Ist mir zu männlich, sagte ich.
    Korbinian sagte: Roderich, ich danke dir sehr.
    Und gab ihm die Hand. Das hieß, Roderich sollte gehen. Wir sehen uns in Dawson City, sagte Korbinian.
    Mir kam er jetzt wieder leichter vor, beweglicher.
    Ach, mein Freund! Morgen müssen wir wieder sechs Stunden strampeln bis Stewart Crossing. Und übermorgen fünf Stunden bis Dawson City. Dann beginnt der Dempster Highway. Ein paar hundert Kilometer Schotterstraße. Vielleicht kapitulier ich noch. Das heißt: Ich steige um zu Roderich, in den Pick-up-Truck.
    Gute Nacht.
    Deine vor Verwirrtheit nichts mehr wissen wollende
Maja

    Von meinem iPhone gesendet

18
    Dawson City, 26. Juni 2011
    Jetzt im Zentrum. In der Gold Rush City. Wir auf dem Gold Rush Campground!
    Du bist Vegetarierin!
    Lieber Freund, wie er das gesagt hat, nachdem der arme Roderich von der joy to kill vorgelesen hatte, als einer ecstasy that marks the summit of life … Vergiss es.
    Zum Glück haben wir viel zu tun. Neue Reifen, Extra-Profile für die Schotterstraße Dempster Highway. Wir essen in der Lodge. Wird von einer Schweizerin betrieben. Evelyn hat uns lachend als die crazy Germans begrüßt. Offenbar haben alle, die uns in den letzten zwei Wochen überholt oder uns Wasserflaschen oder Bierdosen geschenkt haben, über uns berichtet. Sie hat einen CBC-Reporter verständigt. Der soll uns interviewen. In der Lodge. Morgenmagazin. Live! Werbung für die Lodge.
    Obwohl Korbinian einen Traktorsitz auf mein Rad montiert und diesen Sitz weich gepolstert hat, bin ich nach zwei Wochen Strampelei ziemlich geliefert. Und da der Dempster Highway bis Eagle Plains, und das sind 350 Kilometer, Schotterstraße anbietet, habe ich verlangt und gewährt bekommen: eine Woche Erholung in Dawson City. Kaum hatten wir den Campground gefunden, wurden wir vom host begrüßt als die German bicyclers und kriegten am Rand des überfüllten Campgrounds einen besonders schönen Platz. Weit genug weg von der weiblichen Baseball-Mannschaft aus der Hauptstadt, aber immer noch nah genug bei den monströsen US-Vans, aus denen Tag und Nacht Musik und Fernsehlärm dröhnen. Aber doch schon fast unter den gewaltigen Bäumen, die sich im Wind, der hier nie aufhört, biegen. Gott sei Dank wirken die Baumriesen auch auf Korbinian.

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