Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
Wenn Sie hier vielleicht mal –«
»Bitte, Mr Henderson, ersparen Sie uns die üblichen Tiraden verblendeter Eltern –«
»Sie ist ein intelligentes Mädchen.«
»Nein, das ist sie nicht, das ist ja das Problem.« Ein gedehnter Seufzer. »Mr Henderson, Ihre Tochter schlägt nicht über die Stränge, weil sie intellektuell unterfordert ist.« Die Direktorin schüttelte den Kopf, den Blick immer noch aus dem Fenster gerichtet, mit dem Rücken zu mir, als ob sie es satthätte, immerzu den Schein zu wahren. »Manchmal ist das wirklich der Fall, aber Katies bisherige schulische Leistungen sprechen absolut nicht dafür. Sie sind in fast allen Fächern ungenügend. Vielleicht sollten Sie dies als eine Gelegenheit betrachten, sie irgendwo anders unterzubringen, wo sie mehr … individuelle Betreuung bekommen kann.«
Cordjacke nickte. »Und es ist ja nicht so, als hätten wir uns nicht bemüht: Wir hatten unglaublich viel Geduld mit ihrem Verhalten, mit Rücksicht auf ihre familiäre Situation, aber es ist einfach nicht –«
»Welche ›familiäre Situation‹?«
Er zuckte zusammen. »Es … nun ja, sie ist ein Scheidungskind, ihre Schwester wird vermisst, und Sie sind bei der Polizei.«
Das war’s. Ich würde diesem Arschloch die Zähne in den Hals rammen. »Jetzt hören Sie mir mal zu, Sie aufgeblasener –«
»Mr Henderson, wir sprechen hier nicht von gelegentlichen unverschämten Antworten oder von Herumtoben auf den Fluren. In den vergangenen sechs Wochen war Katie zwanzigmal in meinem Büro. Und angesichts ihrer erschreckend niedrigen Anwesenheitsrate ist das so etwas wie ein Rekord. Ganz offen gesagt –«
»Na ja, mag sein, dass sie ein bisschen übermütig ist …«
Die Direktorin starrte weiter aus dem verdammten Fenster, als ob ich ein ungezogener Schüler wäre.
Ich stand auf. »Würden Sie vielleicht das Minimum an Höflichkeit aufbringen, mich anzuschauen, wenn ich mit Ihnen rede?«
Mrs Elrick drehte sich um. Sie war älter, als sie von hinten ausgesehen hatte: ein verbrauchtes Gesicht voller Runzeln, lange Nase, die Haare vorne schon etwas schütter. Ein Bluterguss zog sich über ihren linken Wangenknochen; ein, zwei Zentimeter höher, und es wäre ein blaues Auge geworden. Ihr Hals war von Kratzern verunstaltet – vier parallele Striche, die sich rot von der blassen Haut abhoben. »Seit drei Jahren tolerieren wir die Lügen und Täuschungsversuche Ihrer Tochter, wir tolerieren es, dass sie nach Alkohol stinkend zum Unterricht erscheint – wenn sie sich überhaupt dazu herablässt zu erscheinen –, tolerieren die Prügeleien und die Diebstähle, weil wir wissen, wie sehr sie mit dem Verschwinden ihrer Schwester und der Scheidung ihrer Eltern zu kämpfen hat. Aber heute habe ich herausgefunden, dass sie andere Schüler schikaniert. Nicht nur ihre Altersgenossen, sondern auch Erstklässler.«
»Das ist nicht wahr, die anderen Kinder lügen. Katie würde nie –«
»Als ich sie erwischt habe, zwang sie gerade ein Mädchen, das halb so groß war wie sie, eine Handvoll Erde zu essen.« Die Direktorin hob das Kinn und präsentierte ihre Kratzer. »Das ist passiert, als ich sie daran zu hindern versuchte.«
Cordjacke nickte wie ein Wackeldackel. »Es ist einfach nicht akzeptabel.«
Ich packte die Armlehnen seines Stuhls. » HALT ENDLICH DIE KLAPPE , MANN !«
Er fuhr zurück und hielt sich die Hände vors Gesicht.
Die Direktorin verschränkte die Arme. »Tja, jetzt wissen wir wenigstens, wo sie es herhat.«
»Das ist nicht wahr, Daddy, die lügen !« Katie drückte ihre Schultasche an die Brust wie eine tote Ratte. Sie hatte sich schon wieder eine neue Frisur zugelegt – die pechschwarz gefärbten, glatten Haare hinter die Ohren geschoben. Ihre großen blauen Augen waren verquollen und gerötet, um den Hals trug sie ein Kruzifix aus Metall. Die weiße Bluse zerknittert und fleckig, die grün-gelbe Schulkrawatte auf Halbmast.
»Steig ein.« Ich zog die Beifahrertür auf.
»Wie kannst du denen mehr glauben als mir?«
»Steig jetzt endlich ein, Katie.«
Dr. McDonald beugte sich auf dem Rücksitz vor. »Ist alles in Ordnung?«
Katie fläzte sich auf den Beifahrersitz, dann drehte sie sich um und grinste die Psychologin an. Sie streckte die Hand aus. »Hi, ich bin Katie, die Tochter von Ash, freut mich echt, dich kennenzulernen. Coole Frisur, gefällt mir.«
»Danke, deine gefällt mir auch – sehr gothmäßig.«
»Das glaubst du echt nicht, was da abgeht – die Lehrer an dieser Schule
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