Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
gegen eine Tür. Der Fluchtweg war ihm abgeschnitten. Nichts konnte ihn mehr vor dem Ertrinken retten … Er drehte sich um und riss die Tür auf.
Das Wohnzimmer war voll mit Regalen und Schränken, bestückt mit Vasen, Postkarten, Glaskitsch, Stapeln von Briefumschlägen, polierten Kieselsteinen … Die Möbel sahen nach Ikea aus, aber der übrige Krempel verbreitete eher eine Flohmarkt-Atmosphäre. Und dazu drei Menschen: ein Mann und zwei Frauen.
Es war nicht schwer zu erkennen, welche von beiden die Journalistin war – es war die Dame mittleren Alters mit der aggressiven Ausstrahlung und dem preisgünstigen Kostüm. Ihre betont kummervolle Miene sagte: Ich fühle Ihren Schmerz, es ist alles so furchtbar, eine Tragödie … Aber ihre Mundwinkel zuckten, also ob sie sich mit aller Kraft das Grinsen verkneifen müsste. So einen Exklusivbericht wie diesen zog man nicht alle Tage an Land.
Der Sergeant trat ins Wohnzimmer und räusperte sich. »Ian, Jane – das ist Dr. McDonald. Sie ist … Psychologin. Sie möchte mit Ihnen über … äh …« Er blickte sich zu ihr um.
Sie marschierte direkt auf die beiden zu. »Es tut mir so leid wegen Helen. Ich weiß, es ist schwierig für Sie, aber ich muss Ihnen einige Fragen über sie stellen – um ein Gespür dafür zu bekommen, wie sie so ist.«
Seit wann konnte sie so normal reden?
Der Vater – Ian – sah Dr. McDonald finster an. Seine dichten Augenbrauen zogen sich zusammen wie Gewitterwolken. Jogginghose in Dundee-United-Orange, Mr-Men-T-Shirt, kurz geschorenes Haar, die Arme vor der Brust verschränkt.
Seine Frau war … imposant. Nicht nur dick, sondern auch groß; ein Koloss im Blümchenkleid, mit langen braunen Haaren und verquollenen, geröteten Augen. »Ich wollte gerade Tee machen, würden Sie –«
»Sie bleiben nicht lange.« Ian ließ sich aufs Sofa plumpsen und starrte Dr. McDonald an. »Sie wollen wissen, wie Helen so ist? Helen ist tot. Jetzt wissen Sie, wie sie so ist. «
Jane zupfte an einem Taschentuch in ihrem Schoß herum. »Ian, bitte , wir wissen doch gar nicht sicher –«
»Natürlich ist sie tot, was denn sonst?« Er deutete mit einer ungehaltenen Kopfbewegung in unsere Richtung. »Frag doch die da. Na los, frag sie, was mit den anderen armen Dingern passiert ist.«
Sie leckte sich die Lippen. »Es … tut mir leid; er regt sich immer noch so auf; es war ein furchtbarer Schock. Und –«
»Sie sind tot. Er schnappt sie sich, er foltert sie, er bringt sie um.« Ian verschränkte die Hände so fest ineinander, dass die Fingerspitzen weiß wurden. »Punkt, Ende, aus.«
Dr. McDonald senkte einen Moment lang den Blick. »Ian, ich will Sie nicht anlügen, es ist –«
»Sagen Sie …« Ich schob mich an den anderen vorbei ins Zimmer und fixierte dabei die Reporterin. »Könnten wir das vielleicht unter uns besprechen?«
Ian schüttelte den Kopf. »Wir erzählen ihr sowieso alles weiter, was Sie uns sagen. Von ihr wird die Welt erfahren, wie es wirklich ist – nicht so ein Dünnpfiff, wie Sie ihn in Ihren albernen Pressekonferenzen verzapfen, sondern die Wahrheit. «
Die Reporterin stand auf und streckte die Hand aus. »Jean Buchanan, freie Journalistin. Ich möchte Ihnen versichern, dass ich den allergrößten Respekt vor der Polizei habe, gerade in dieser schwierigen –«
»Mr McMillan, es geht hier um eine laufende Ermittlung, und wenn wir den Täter fassen wollen, der für die Entführung Ihrer –«
»– ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung –«
»– dass so etwas wieder passiert; und das können wir nicht, wenn diese Schmarotzer alles publik machen, was wir –«
»Schmarotzer?« Der professionelle Ton geriet ins Wanken. Sie zeigte mit dem Finger auf mich. »Jetzt hören Sie mir mal zu, Freundchen: Jane und Ian haben einen Anspruch auf eine Entschädigung für ihre Story, Sie können sie nicht einfach zensieren –«
»– wollen doch sicher nicht, dass andere Familien dasselbe durchmachen müssen wie Sie!«
Ian funkelte mich an. »Scheiß auf die anderen Familien. Scheiß auf sie alle, das bringt uns Helen auch nicht wieder, oder? Sie ist tot, er hat sie vor einem Jahr umgebracht. Und da können wir rein gar nichts dran ändern.« Er biss sich auf die Lippe und starrte auf die geschlossene Jalousie. »Spielt doch keine Rolle, was wir wollen; die Zeitungen schreiben so oder so drüber. Auf die Weise kriegen wir wenigstens … Warum sollten wir für unseren Schmerz nicht was verlangen können?«
Seine
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