Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
er sich eines Abends betrunken und sie alle mit einem Hammer totgeschlagen …« Sie nestelte an ihrer Brille herum. »Detective Chief Superintendent Dickie sagt, Sie stehen immer noch in Kontakt mit Hannah Kellys Eltern?«
»Hannah hatte keine Rennmäuse.«
»Ist ihre Wohnung so wie diese? Haben sie ihr Zimmer auch unverändert gelassen, um die Erinnerung an sie lebendig zu halten? Rechnen sie damit, dass sie eines Tages wieder auftauchen wird, als ob gar nichts passiert wäre?«
Das rosa Einhorn war auf den Boden gefallen, als ich unter die Matratze geschaut hatte. Ich hob es auf. Flauschig. Weich. Warm. »Ihre Eltern wohnen nicht mehr dort. Sie sind in den letzten acht Jahren schätzungsweise fünfmal umgezogen, und trotzdem findet er sie. Immer am sechzehnten September kommt eine neue Karte.«
Dr. McDonald schlang sich einen Arm um die Brust. Den Kopf zur Seite geneigt studierte sie die Bücherregale an der Wand über dem Schreibtisch. Sie waren voll mit gebundenen Ausgaben: ein paar mit Ledereinband – Dickens, C. S. Lewis; andere in verblassten Schutzumschlägen – Ian Fleming, Jilly Cooper, Harper Lee; dazu ein paar, die aussahen, als wären sie in transparente Plastikfolie eingeschlagen – Anthony Horowitz, Gabriel King, ein paar Harry-Potter-Bände, der eine oder andere Vampir-Schrott. Sie zog Moonraker aus dem Regal und blätterte darin, während die Falten zwischen ihren Augenbrauen tiefer wurden. Dann tat sie das Gleiche mit Der König von Narnia und kaute dabei auf ihrer Unterlippe herum.
»Ich habe die Bücher schon durchgesehen – es stecken keine Geheimbotschaften zwischen den Seiten.« Ich sah auf meine Uhr. »Wir sollten allmählich aufbrechen.«
Nichts. Sie starrte immer noch das Buch an.
»Hallo? Sind Sie noch da?«
Sie blinzelte. »Ja, richtig, das sollten wir …« Dr. McDonald schob das Buch an seinen Platz zurück und griff nach einem gerahmten Foto, das auf der Kommode stand. Es zeigte ein kleines Mädchen in einem rosa Prinzessinnen-Partykleid, ausstaffiert mit Diadem, Zauberstab und einem Paar Feenflügel. Breites Grinsen, große Zahnlücke. Feuerrote Haare, zu einer Art Dutt hochgebunden. Sie hielt eine Kürbislaterne in der Hand, hinter deren gezacktem Mund eine Kerze brannte. »Als ich acht war, hat mir Tante Jan für Halloween so ein einteiliges Kostüm gemacht: schwarz mit weißem Bauch, Pfoten, langer Schwanz hintendran und dazu ein fast ein Meter hoher rot-weiß gestreifter Hut. Meine Freundinnen wollten alle als Disney-Prinzessinnen gehen.«
»Rebecca war ein Zombie. Katie ist als Hannibal Lecter gegangen. Wir haben ihr einen orangefarbenen Overall besorgt, und Michelle hat ihr aus einer alten Decke so eine kleine Zwangsjacke gemacht.« Ein Lächeln schlich sich auf meine Züge. »Ich habe ihr eine Ledermaske besorgt, wie sie Hannibal Lecter im Film trägt, und dann haben wir sie auf so einem zweirädrigen Wägelchen herumgeschoben. Rebecca ist hinter uns her gestakst und hat immer › Hirrrrn ‹ geknurrt, wenn jemand vorbeikam … Ich sag’s Ihnen, die zwei haben so viele Brausestangen und Mini-Marsriegel vertilgt, dass ihnen tagelang schlecht war.« Ich fuhr mit der Hand durch das weiche Fell des Einhorns. »Das war das beste Halloween, das wir je hatten.« Und das letzte. Bevor das Schwein uns Rebecca nahm und alles den Bach runterging. Ich setzte das flauschige Einhorn wieder aufs Bett und arrangierte die Multikulti-Bärentruppe drumherum. Dann steckte ich die Hände in die Hosentaschen und zuckte mit den Achseln. »Na ja …«
Dr. McDonald stellte das Foto auf die Kommode zurück.
Schweigen.
Ich räusperte mich. »Wir sollten jetzt los.«
Die Scheibenwischer hörten sich an, als würde jemand einen Luftballon an einer Fensterscheibe reiben, immer hin und her, und immer blieb ein verschmierter Bogen zurück, wo die Regenschlieren sich hartnäckig hielten. Quietsch, schrapp, quietsch, schrapp …
Dr. McDonald wand sich auf ihrem Sitz. »Natürlich war es niemals sein Fehler – Sie wissen ja, wie manche von diesen Rechtsmedizinern sind, uneingeschränkte Herrscher in ihrem kleinen Reich, und wehe, jemand zeigt mal ein kleines bisschen Rückgrat oder widerspricht ihnen in irgendeiner Weise, dann bekommt er gleich einen langen Vortrag darüber zu hören, wie es in der ›wirklichen Welt‹ läuft, und ich meine, wie können die so was behaupten –«
Und so weiter und so fort, den ganzen Weg von Dundee – mit dem Regen und den quietschenden Wischern und dem
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