Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
auch.« Ich drehte mich wieder zum Fenster um. Starrte hinaus in den Schnee. »Er wird den Cameron Park aufgeben, jetzt, wo wir da überall herumgewühlt haben … Wir werden Katies Leiche nie finden.«
Alles wurde schwerer, die Schwerkraft zog meinen Körper tief in den Sitz. Ließ meine Augenlider zufallen. Jede Bewegung war so mühsam.
»Ash?«
Hätte besser noch was von Dawsons gestohlenen Amphetaminen genommen.
»Lasst mich in Ruhe …« Die Kälte schlang ihre Arme um mich und zog mich hoch. Zerrte mich hinaus in den Schnee. Ich blickte auf in einen grauen Himmel, der jetzt fast weiß schien. Zarte, eisige Küsse auf meinen Wangen.
Ein Gesicht sah auf mich herab. Eine Frauenstimme: » Das gefällt mir nicht, Alice. Er muss ins Krankenhaus. «
» Bitte, Tante Jan. Es muss sein. « Alice streichelte mir die Stirn. » Er braucht mich. «
»Ich muss verrückt sein.« Ein tiefer, schwerer Seufzer. »Also gut, also gut. Nimm seine Füße. Aber wenn er stirbt, darfst du der Polizei alles erklären, verstanden?«
»Danke, Tante Jan.«
Ich blinzelte zu einer weißen Decke auf. Drumherum ein Saum aus Küchenschränken. Das Brodeln eines Wasserkochers. Ich war … drin … Wie war ich reingekommen? Muss aufstehen und Katie finden.
»Halt ihn fest, verdammt! Ist so schon mühsam genug.«
Etwas Schweres auf meinen Armen und Beinen.
»Tut mir leid.«
»Mein Gott, das sieht ja übel aus …«
Jemand trat mir gegen den Kopf. Ich hebelte ein Auge auf, doch der Mistkerl war unsichtbar.
Die Decke über mir war mit Schatten in Tierform gesprenkelt, die langsam um eine trübe Sonne kreisten. Mein Mund war zwei Nummern zu klein für meinen Kopf, die Innenseiten meiner Wangen waren mit Schmirgelpapier ausgekleidet, meine Zunge in einen Käfig aus Zähnen eingepfercht. Da war etwas Klebriges in meinem Gesicht.
Ich hob eine Hand, um es wegzukratzen, aber jemand fasste mein Handgelenk.
»Nein.« Alice drückte meinen Arm an meine Seite zurück. »Wie fühlst du dich?«
Als wäre ich von einem dieser Tankwagen überrollt worden, mit denen die Klärgruben geleert wurden. »Durstig.«
»Da.« Sie hielt mir eine Flasche an die Lippen, und ich trank, gierig und in großen Schlucken. Die Hälfte landete auf Kinn und Hals, aber es war mir egal.
»Tante Jan hat dich verarztet.«
Ein Gesicht tauchte über mir auf – dasselbe wie vorhin in der Küche. Eine Bobfrisur, auf einer Seite stachlig gegelt. Die zusammengekniffenen Augen fixierten mich. »Sie können froh sein, dass Sie den Fuß nicht verloren haben. Was haben Sie sich nur gedacht ?«
»Ich hab dir doch gesagt, sie ist eine fantastische Tierärztin.«
Ich streckte eine Hand aus, und Alice zog mich hoch, bis ich auf dem Bett saß. Mein Magen revoltierte. Ich biss die Zähne zusammen, schluckte krampfhaft. Hielt mich an der Matratze fest, damit sie nicht wegflog. Sah an mir herunter.
Mein rechter Fuß war in professionell wirkende Verbände gehüllt, so fest umwickelt, dass ich gar nichts spürte.
Alice’ Tante verschränkte die Arme. »Ich habe einen Nervenblock gemacht – Lidocain, Epinephrin und ein Corticosteroid. Unterhalb des Knies wird alles taub sein, aber das heißt nicht, dass Sie rausgehen und einen Marathon laufen können. Die Kugel hat Ihren zweiten Mittelfußknochen durchschlagen, im Moment hängt Ihr Zeh nur noch an Haut und ein paar Stichen. Sie werden eine Knochentransplantation brauchen.« Ein Nicken. »Lagern Sie den Fuß immer hoch, sonst riskieren Sie ein Ödem, eine Sepsis oder Wundbrand. Und darauf haben Sie doch sicher keine Lust?«
Es tat überhaupt nicht weh. »Sie sind ein Genie.« Ich schwang meine Beine aus dem Bett, und das Zimmer drehte eine Ehrenrunde um meinen Kopf. »O Mann …«
»Sie müssen sich ausruhen. Und duschen. Sie stinken wie ein Iltis.«
»Wie spät ist es?«
»Sie haben viel Blut verloren, Sie müssen –«
»Verdammt, wie spät ist es?«
Schweigen.
Dann hielt Alice ihre Uhr hoch. »Zwei Uhr.«
Drei Stunden.
46
Das Snooze-U-Like Inn in der Martyr Road war ein Zauberwürfel, bei dem alle Seiten dieselbe Farbe hatten: Grau. Henrys uralter Volvo Kombi war das einzige Auto auf dem Parkplatz, bis Alice unseren Wagen daneben abstellte.
Sie blickte zu der farblosen Fassade mit den kleinen quadratischen Fenstern auf. Schnee rieselte aus dem bleigrauen Himmel herab. »Immer noch nichts?«
Ich nestelte am Kragen meines geliehenen Hemds herum. Die Sachen von Alice’ Onkel waren mir alle ein kleines bisschen zu
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