Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
auszukugeln drohte.
Alice trat von einem Fuß auf den anderen, beide Arme um den Leib geschlungen. »Es tut mir leid, es tut mir so leid …«
In meiner Tasche war die Pistole etwas leichter, aber nicht viel. »Ihr habt Katie gar nicht entführt?«
Er schüttelte den Kopf. »Es war von Anfang an nur Andrea. All die Mädchen waren Andrea.« Er zog die Nase hoch, wischte sich mit der Hand über die Augen und schmierte sich dabei Blut ins Gesicht. »Sie hat uns verlassen. Sie ist weggelaufen und hat Lisa und mich mit ihm alleingelassen. Ich war fünf …«
»Ash, ich wollte sie nicht umbringen, ich wollte nur, dass sie dich loslässt.«
»Ich weiß.« Ich breitete die Arme aus, und Alice kam auf mich zugeschlurft, legte den Kopf an meine Schulter und weinte.
»Sie war unsere große Schwester, sie sollte uns beschützen.« Er beugte sich vor und küsste die Stirn der Rattenfängerin. »Er hat Lisa so brutal geschlagen … Sie war nie mehr dieselbe; damals hat sich irgendetwas in ihrem Kopf gelockert. Sie wollte nur, dass jemand sie liebt.«
»Ihr habt meine Tochter umgebracht. Ihr Name war Rebecca. Sie war erst zwölf.«
Ein Nicken. »Vor dreizehn Jahren taucht Andrea plötzlich wieder in Oldcastle auf. Sie ist schwanger. Sie hat sich einen Ehemann zugelegt und ein neues Haus in Shortstaine; bloß ist sie nicht mehr Andrea McKenzie , sie ist jetzt Andrea Taylor. Und Andrea Taylor hat Vaters Todesanzeige in der Zeitung gesehen …« McKenzie lachte. »All die Jahre und sie kommt zurück, um uns zu sagen, dass Mutter ins Heim muss: Wir müssen das Haus verkaufen, damit sie ihren Anteil bekommt. Sie sagte, der alte Drecksack sei ihr etwas schuldig für alles, was er getan hat. Ihr etwas schuldig? Und was war mit uns?«
Alice ließ schaudernd den Atem entweichen und löste sich von mir, während sie sich mit dem Ärmel das Gesicht trocknete. Dann hob sie das Kinn. »Also haben Sie beschlossen sich zu revanchieren – sie dafür büßen zu lassen, dass sie Sie im Stich gelassen hatte, und ihr Leben zur Hölle zu machen, wie sie Ihres zur Hölle gemacht hatte. Sie fingen an, sie zu entführen …« Alice spielte mit ihren Haaren herum. »Amber O’Neil sah aus wie sie, nicht wahr? Sie sah ihr ähnlich genug, um Ihnen die Befriedigung zu verschaffen; sie verwandelten sie in Andrea und bestraften sie dafür, dass sie Sie verlassen hatte. Und es war ein so gutes Gefühl, dass Sie losgingen und es noch einmal machten; nur dass Hannah Kelly nicht Andreas Haare hatte, also mussten Sie sie ihr färben. Damit sie in die Schablone passte. Dann taten Sie es noch einmal und noch einmal, Sie verwandelten die Mädchen in Andrea, damit Sie ihnen den Kopf kahl rasieren und sie verbrennen und ihnen Muster in die Haut ritzen konnten, damit Sie sie foltern und verstümmeln und –«
»Nein, das war ich nicht.« Er hielt den Blick auf den Boden gerichtet. »Ich habe nur … die Fotos gemacht. Lisa hat alles andere gemacht. Sie … Sie haben ja gesehen, wie sie ist: Sie hat mich dazu gezwungen.«
»Und dann haben Sie die Geburtstagskarten benutzt, um die Eltern zu bestrafen. Sie haben sie ein ganzes Jahr lang warten und bangen lassen – sie mussten sich fragen, was sie falsch gemacht hatten, warum ihr kleines Mädchen weggelaufen war –, und dann haben Sie sie mit der Nase darauf gestoßen: Seht, was mit eurer Tochter passiert ist! Sie haben die Mädchen in Andrea verwandelt, so wie sie damals war, als sie Sie im Stich gelassen hatte. Dann haben Sie ihre Eltern in Andrea verwandelt, wie sie jetzt ist, und sie mit den Geburtstagskarten gequält. Zwei für eine. Sie haben geübt. Die Fantasie ausgearbeitet. Sie haben gewartet, bis Megan alt genug war, um die Fantasie Wirklichkeit werden zu lassen.«
Ich starrte ihn an, wie er da am Boden saß und seine tote Schwester im Arm hielt. »Ist es das, McKenzie? War Rebecca für euch nicht mehr als eine Generalprobe?«
Er schüttelte den Kopf. »So war es nicht, es …« Ein angedeutetes Schulterzucken. »Ich weiß nicht.«
Alice wandte ihm den Rücken zu. »Henry hatte recht: Es ging immer nur um Megan Taylor. Dreizehn Mädchen, alle ermordet an ihrem dreizehnten Geburtstag.« Sie stieß mit der Schuhspitze eine Flasche Bleichmittel an, die auf dem Boden lag. »Oh, ich sage nicht, dass sie einfach aufgegeben hätten – der Kick, den sie empfanden, wenn sie Megan und Andrea folterten, hätte irgendwann nachgelassen, und sie hätten einfach weitergemacht, immer mehr Mädchen, Jahr für
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