Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
ein perfekter Hausmann bist.«
»Ich hab früher ständig mit Rebecca und Katie gekocht. Aber allein macht es irgendwie keinen Spaß …« Ich probierte die Spaghetti. Noch nicht ganz al dente. »Wer war denn nun dieser Polizist, den ihr im Visier hattet?«
»Als Gratulator? Puhhhhh … Du stellst Fragen.« Er hob sein Glas an die Lippen. »Glen Sinclair, glaube ich. Oder hieß er Strachan? Struthers? Irgendwas in der Richtung. Er war Sergeant bei der Northern Constabulary, hat ständig im Zentralregister Suchanfragen zu den Familien gestartet, also haben wir ihn uns gegriffen und ihn verhört. Wir haben ihn von einem Partycrasher-Team observieren lassen, um rauszufinden, wohin er geht und mit wem er sich trifft. Zwei Tage später ist er von der Kessock Bridge gesprungen.« Er nahm einen Schluck. »Da geht’s ziemlich tief runter.«
»Er war es also nicht.«
Henry zog die Schultern hoch. »Noch einer von meinen spektakulären Fehlschlägen. Ich hatte ein überarbeitetes Profil erstellt, und er hat haargenau reingepasst, einschließlich der freiwilligen Arbeit mit Kindern.«
»Pfadfinder?«
»Jugendfußball-Liga. Nach seinem Tod haben wir seinen PC durchsucht – er war randvoll mit Bildern von nackten kleinen Jungen. War also doch nicht der Gratulator.«
Ich ließ die Spaghetti im Spülbecken abtropfen, und eine gewaltige Dampfwolke waberte durch die Küche. »Nur du bringst es fertig, die Überführung eines Pädophilen als einen Misserfolg darzustellen.«
»Wir haben ihn ja gar nicht überführt. Wir haben ihn für einen anderen gehalten, und er hat sich umgebracht, ehe wir überhaupt etwas von seiner Fotosammlung ahnten. Er gehörte wahrscheinlich zu einem Ring, und wir haben die Chance vermasselt, den Verein hochzunehmen.«
»Geh doch und ruf Dr. McDonald: Wenn sie mit Kotzen fertig ist, soll sie zum Mittagessen kommen.«
Henry starrte seine Hände an. »Ich habe das ernst gemeint, Ash: Du musst ihr das mit Rebecca sagen.«
Ich kippte die Spaghetti in die Bratpfanne und zog sie durch die Sauce. »Nein.«
»Du kannst nicht erwarten, dass sie ein präzises Profil erstellt, solange sie nicht im Besitz aller Informationen ist, das weißt du. Sie wird Hypothesen aufstellen auf der Basis dessen, was sie hat, und es wird nicht –«
»Dann steuere sie in die richtige Richtung. Gib ihr Anstöße. Leite sie an. Sorg dafür, dass sie es richtig hinbekommt.« Die Pfanne knallte zurück auf die Kochplatte. »Wenn ich es ihr sage, wird sie es Dickie weitererzählen, und dann ziehen sie mich von dem Fall ab. Sonderurlaub, Trauerberatung; ich werde daheim rumhocken und zusehen müssen, wie sie alles vermasseln, während der Gratulator munter weitermacht.«
»Vielleicht wäre Trauerberatung gar keine so schlechte –«
»Ich sag’s ihr nicht, Henry, und du sagst es ihr auch nicht. Verstanden?« Ich drehte das Gas ab. »Und jetzt geh sie holen, solange man das hier noch essen kann.«
Die Schneeflocken, die vor meinem Hotelfenster herabrieselten, glitzerten im Schein der Straßenbeleuchtung. Henrys verbeulter Volvo parkte am Bordstein. Auf der Seite hatte jemand mit riesigen Buchstaben das Wort » WICHSER « in den Lack gekratzt. Der Motor lief, aus dem Auspuff quollen Abgaswolken in die Dunkelheit. Ich wickelte Rebeccas Zigarrenschachtel in zwei T-Shirts und den hässlichen Pulli, den Michelles Mutter mir geschenkt hatte, dann polsterte ich sie zur Sicherheit ringsum mit Socken, Unterhosen und Jeans. Anschließend ging ich ins Bad, um meinen Toilettenbeutel zu holen.
Das Klingelgeräusch meines Handys hallte von den blitzsauberen Fliesen wider: schon wieder Dickie.
Ich klemmte mir das Telefon zwischen Ohr und Schulter. »Lassen Sie mich raten: Sie geht nicht ans Telefon.« Ich sammelte meine Toilettensachen ein: Zahnbürste, Zahnpasta, Rasierer, Rasierschaum …
»Manchmal ist es besser, mit dem Affen zu reden und nicht mit dem Leierkastenmann.«
»Ganz schön frech.« Pillen, Pillen, noch mehr Pillen …
»Wir haben ein Geständnis von dem Buchladenbesitzer.«
Ich hielt inne. Starrte in den Spiegel, während das Blut in meinen Ohren wummerte. Nach so langer Zeit … »Er ist der Gratulator.«
»Nein, das ist er nicht. Wie könnte ich auch so viel Glück haben? Aber er besitzt tatsächlich eine Sammlung von eindeutigen Videos, die ihn zeigen, wie er Helen McMillan sexuell missbraucht. Sie war erst zwölf …« Dickie machte ein flatterndes Geräusch mit den Lippen, es klang wie ein Unterwasser-Seufzer.
Weitere Kostenlose Bücher