Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dritte Leben

Das dritte Leben

Titel: Das dritte Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
Vom Netzwerk:
Brief von Jakob Irmens, der die Zerstörung ihres Lebens bedeutete.
    Die Tür des Salons öffnete sich.
    »Alexa?« Reinhard trat ein. »Die Gäste warten«, sagte er lächelnd. Dann sah er Alexa aufmerksam an. Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht.
    »Was ist mit dir?« frage er schnell, besorgt.
    »Mir …« Ihre Augen öffneten sich weit. »Ich – mir – nichts.« Sie konnte keinen Finger rühren, sich nicht bewegen. Ihre Beine waren bis zur Hüfte steif.
    Mit drei Schritten war Reinhard bei ihr.
    »Alexa!«
    Sie versuchte zu lächeln. Aber es war nur das krampfhafte Zucken einer Maske.
    Reinhard beugte sich über sie, nahm ihre Hände. Sie waren eiskalt.
    Der Brief flatterte zu Boden. Reinhard bückte sich, wollte ihn aufheben.
    »Nein!« schrie Alexa. Noch ehe er den Brief aufnehmen konnte, hatte sie ihn an sich gerissen.
    Sie lag auf den Knien, preßte den Brief an sich. Sie starrte zu Reinhard hoch, ihre Augen voller Todesangst.
    Reinhard trat einen Schritt zurück.
    »Was – was ist denn mit dir los?« Schrecken. Jetzt auch in ihm. »Alexa! Was ist passiert?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    »Du bist meine Frau! Du hast mir zu antworten!« Seine Stimme hob sich.
    »Bitte«, flüsterte sie, »bitte laß mich allein. Geh zu den Gästen. Wir dürfen sie nicht warten lassen. Bitte!« Flehend sah sie ihn an. »Ich erkläre es dir später!«
    Nur Zeit gewinnen, nur ein paar kostbare Minuten, ein paar Sekunden. Zeit, sich zu sammeln, etwas zu erfinden. Eine Ausrede.
    »Bitte«, wiederholte sie.
    »Gut«, sagte Reinhard mit flacher Stimme. »Gut. Wie du willst. Aber ich erwarte eine Erklärung von dir.«
    Er blickte auf das Blatt Papier in ihren Händen. Sie drückte es nur noch fester an ihre Brust.
    Argwohn schoß bitter in ihm hoch. Eifersucht. Der Brief eines Liebhabers? Groteske Vorstellung. Und doch vorstellbar.
    »Gut«, sagte er noch einmal. Dann wandte er sich auf dem Absatz um und verließ den Salon.
    Alexa sprang auf, verschloß die Tür. Tief atmend lehnte sie sich gegen das Holz, preßte ihre Hände gegen ihr Herz. Es schlug wild, außer Takt, stolpernd.
    Das Papier in ihrer Hand war feucht vom Schweiß ihrer Finger.
    Langsam hob sie den Brief. Las. Da stand es. Wort für Wort und Satz für Satz. Renate Berglund. Ihre Tochter. Das Kind aus dem verbotenen Verhältnis zu Matthias Wiegand. Auf der Suche nach ihr.
    Reinhard wird sich scheiden lassen.
    Und ich werde nicht einmal meine Jungs behalten können.
    Sie warf sich auf den Diwan, verbarg das Gesicht schluchzend in ihren Händen.
    Der Brief! Sie erhob sich, riß ihn in kleine Fetzen, ließ sie in den Aschenbecher fallen, zündete ein Streichholz an. Im Nu waren die Schnitzel vom Feuer verzehrt.
    Der Brief ließ sich verbrennen, doch die Vergangenheit konnte man nicht auslöschen.
    Ich muß zurück. Zu meinen Gästen. Zu meinem Mann. Was soll ich ihm sagen? Krank. Jakob ist krank, das werde ich sagen. Er wird nachforschen. Und wird schnell erfahren, daß es nicht stimmt.
    Ich werde gar nichts sagen. Ich lasse es darauf ankommen. Was kann er schon tun? Was kann Reinhard schon tun, wenn ich einfach gar nichts sage?
    Beleidigt sein. Einen Tag lang, zwei. Was sonst?
    Aber das Mißtrauen wird bleiben, mich mit prüfendem Blick verfolgen, auf Schritt und Tritt. Er wird jede meiner Gesten prüfen, meinen Blick ertasten, meinen Worten nachlauschen.
    Und wenn nun diese Renate hier erscheint? Einfach hierherkommt, ins Haus, es uns allen ins Gesicht schleudert?
    Abstreiten. Lachen. Eine Irre. Festnehmen lassen. Ins Krankenhaus. In eine Nervenklinik mit ihr.
    Nervenklinik. Sie fuhr zusammen. Das war die Lösung. Das Mädchen war verrückt.
    Dr. Warren. Viktor Warren. Er war schon lange hinter ihr her. Er machte ihr unverschämt den Hof. Ein Fingerschnippen, und er lag zu ihren Füßen.
    Würde er mitmachen? Konnte er mitmachen? Der Preis? Da gab es keine Zweifel. Der Preis war sie selbst; aber diesen Preis mußte sie zahlen, wenn Warren ihn fordern würde. Sie gab sich ihm in die Hand. Aber es blieb kein anderer Ausweg.
    Sie mußte handeln. Jetzt, sofort, noch ehe ihre Tochter hier auftauchte.
    Sie ging auf den Flur. Rief nach Klara. »Bring mir das Telefon in meinen Salon!«
    Klara brachte den Apparat.
    Alexa wählte Warrens Nummer.
    Es klingelte, vier-, fünfmal.
    Dann nahm jemand den Hörer auf.
    Gelächter im Hintergrund, Musik. Silvesterfeier, natürlich.
    Eine Frauenstimme: »Bei Doktor Warren.«
    »Bitte, ich möchte Herrn Warren

Weitere Kostenlose Bücher