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Das dritte Leben

Das dritte Leben

Titel: Das dritte Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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sprechen.«
    »Hat heute dienstfrei.«
    »Es ist privat.«
    Frauenlachen, dann Stille.
    »Ja, bitte, wer ist da?«
    »Alexa.«
    »Alexa?« Überraschung und Triumph. Noch nie hatte sie ihm gegenüber ihren Vornamen benutzt.
    »Alexa«, wiederholte er und kostete es aus.
    »Ich möchte Sie sprechen. Dringend. Kommen Sie bitte zu uns. Unter irgendeinem Vorwand.«
    »Aber, ich habe Gäste –«
    »Bitte!«
    »Ich kann wirklich nicht –«
    »Ich werde – ich würde alles tun, wenn Sie kommen. Sie müssen mir helfen.«
    Wieder Stille. Eine Minute lang. Alexa biß sich auf die Lippen. Dann sagte Warren: »Gut, ich komme.«
    »Da möchte ich nicht abgemalt sein«, sagte Hellmut Hallig, als sie den letzten Kontrollposten der Vopo hinter sich hatten. Die Zone versank im Dämmerlicht der hereinbrechenden Nacht.
    »Wenn Sie dort leben müßten, Hellmut –« Renate hob die Schultern.
    »Ich wäre längst getürmt. Ich hatte einen Vetter drüben. Ist auch abgehauen. Vor dem Bau der Mauer allerdings.«
    Vor ihnen gleißte es auf: die Lichter von Berlin.
    »Und jetzt kommen wir zum Schauplatz der Tat«, sagte Hallig mit der Stimme eines Jahrmarktausrufers.
    Renate erwiderte nichts. Mit verschlossenem Gesicht starrte sie aus dem Fenster des Wagens.
    »Entschuldigung«, sagte Hallig, »das war dumm von mir.«
    Renate versuchte ein Lächeln. »Natürlich, Hellmut. Sie dürfen ruhig Ihre Scherze machen. Ich bin sowieso in Ihrer Schuld.«
    »So 'n Quatsch!« fuhr er auf. »Nur weil ich Sie nach Berlin gefahren habe?«
    »Weil Sie bei mir geblieben sind.«
    Wie das klang! Hellmut spürte, wie ihm Wärme in die Wangen stieg. Wie sie das sagte! Er mußte sich räuspern, ehe er sprechen konnte.
    »Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen …« Seine Worte verloren sich.
    Vor ihnen öffneten sich die Straßen des steinernen Herzens der Stadt, das einmal das Herz Europas war, lebhafter noch als Paris, London oder New York – ehe die Braunen an die Macht kamen.
    Brodelnder Verkehr. Rot, grün, weiß die Lichter, dünner Schnee, die Straßen frei, glatt, schwarz. Helle Neonblitze in nachtdunklen Straßen. Dann der Kurfürstendamm …
    »Ich war noch nie hier«, sagte Renate.
    Hellmut fuhr langsamer. »Das ist Berlin«, sagte er. »Das ist das, was übriggeblieben ist.« Seine Stimme klang stolz und bitter zugleich. »Der Ku'damm und die Mauer.«
    »Sie sind aus Nürnberg«, sagte Renate sachlich.
    »Ich bin in Berlin geboren.«
    Sie legte ihm die Hand auf den Arm.
    »So klein«, zeigte er mit Daumen und Zeigefinger, »so klein war ich, als Berlin noch stand. Ich bin 40 geboren. Da war Berlin noch eine Weltstadt. Aber ich hab's nie gesehen. Meine erste Erinnerung an Berlin sind Trümmerhalden, auf denen blaue Blumen wuchsen. Und Trümmerfrauen in blauen Kittelschürzen. Und blaue Russen. Ich meine besoffene.«
    Er begann zu lachen. »Alles Quatsch. Vorbei. Heute ist alles wieder dufte. Schauen Sie rüber. Die Mädchen von Berlin. Alle adrett. Es war in Schöneberg … Alle keß und frech. Alle hübsch, 'ne Wucht.« Er schielte zur Seite. »Darf ich doch sagen, oder nicht?«
    Renate lachte. »Die Mädchen sind 'ne Wucht!«
    Er wurde ernst. »Also. Nun erhebt sich die Hotelfrage. Gibt nur eine Chance: Hotel Thober, oben am Ende vom Ku'damm. Hab' ich immer gewohnt, wenn ich in den letzten Jahren hier war.«
    »Von mir aus«, sagte Renate. »Ich will mich nur etwas frisch machen.«
    »Und dann?«
    »Sie wissen, was ich zu tun habe, Hellmut.«
    Eine Weile schwieg er. Sie kamen am Kranzler vorbei, an Eden's Saloon.
    An einer Ampel mußte er halten. Er sah Renate an.
    »Sie wollen doch nicht heute abend – an Silvester?«
    Sie nickte. Ihr Gesicht war hart und entschlossen.
    »Tun Sie's nicht, Renate. Wissen Sie was, lassen Sie uns Silvester miteinander feiern. Ohne großen Zirkus. Irgendwohin gehen, wo nette junge Leute sind, ein bißchen tanzen, ein bißchen trinken. Sie müssen auf andere Gedanken kommen, das ist alles.«
    Renate schüttelte den Kopf. »Nein. Heute abend noch. Ich will Alexa heute abend noch sehen.«
    Die Ampel sprang auf Grün. Hellmut fuhr an.
    »Und – Alexas Mann, dieser Berglund? Sie werden doch Gäste haben. Vielleicht sind sie auch gar nicht zu Hause.«
    »Das werden wir feststellen. Es gibt ja schließlich noch Telefon.«
    »Warum denn so hart?« fragte Hellmut. »Seien Sie doch vernünftig. Lassen Sie die Leute wenigstens heute abend in Frieden.«
    Sie hielten vor dem Hotel. »Ich geh' mal rein, fragen,

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